“Mut zur Lücke.“ Treffender hätte es die Bardowicker Schulleiterin es nicht ausdrücken, klüger nicht handeln können.

Obwohl ihre Aktion so gar nicht ins Bild der Deutschen passt, sie zeigt den Mut der Pädagogin, die sich für etwas entscheidet, was ihr und ihrem Kollegium wichtig ist.

Gründe genug mit der Entschuldigung zu argumentieren, "wir sind noch nicht so weit", hätte es genug gegeben. Das deutsche Schulwesen ist kompliziert, das deutsche Sonderschulwesen sogar höchst kompliziert. Bis zu zehn verschiedene Sonderschultypen gibt es in den einzelnen Bundesländern.

Schulen für Blinde, für Gehörlose, Lernbehinderte, geistig Behinderte, Körperbehinderte oder Taubblinde - für jeden Topf ein anderer Deckel. Dabei gibt es bessere Vorbilder in der europäischen Nachbarschaft, die Insider kennen, Entscheidungsträger aber offenbar ignorieren.

Ein weitaus gleichberechtigteres Leben für Menschen mit Behinderungen garantiert Schweden. Und das lange bevor eine UN-Konvention fehlende Bildungschancen für Menschen mit Behinderungen kritisiert hat.

Bereits in den 60er- und 70er-Jahren entwickelte sich in dem Nordland ein neuer Blickwinkel auf Menschen mit Behinderung. Sie bekamen mehr Rechte zugesprochen.

Die allgemeine Schulpflicht wurde auf alle Behinderte ausgedehnt und Behindertenschulen aufgelöst. Seitdem werden alle Kinder vom ersten bis zum neunten Schuljahr in der allgemeinen Schule beschult. Von den in Niedersachsen lebenden 40 000 Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden nur 6,6 Prozent gemeinsam mit nicht behinderten Schülern beschult.

In Schweden wird Menschen mit geistiger Behinderung die Möglichkeit gegeben, genau so zu leben wie jeder andere Mitbürger.

Sicherlich ist der Weg hin zu "Einer Schule für alle" wie auch hin zu einem gemeinsamen Leben weiter entfernt, als sich manch einer vorstellen kann. Doch bei aller Kritik in der Ausführung: Kein Weg zum Ziel wird umsonst beschritten. Nicht einmal der Umweg.