Wenn die Touristen abreisen, beginnt beim Verein Naturschutzpark die Hochsaison der Landschaftspfleger

Lüneburg/Wilsede. Dass die meisten Besucher nur zur Heideblüte herkommen, kann Mathias Zimmermann (53) nicht verstehen. Der Geschäftsführer des Vereins Naturschutzpark (VNP) findet jede Jahreszeit in der Heide "richtig gut": Im Frühjahr lockt das zarte Grün der neuen Buchenblätter in die Natur, der Sommer steht ganz im Zeichen der violett blühenden Heideflächen, und den Reiz des Winters machen die schneebedeckte Landschaft, die tiefstehende Sonne und lange Schatten aus. Doch auch jetzt im Herbst lohne sich ein Besuch, versichert Zimmermann. Es ist die Zeit der Laubfärbung, des Nebel in den Senken, der Zugvögel hoch oben am Himmel und des Raureifs, der die Landschaft wie überzuckert erscheinen lässt.

An diesem Tag erfreuen sich im Naturschutzgebiet dennoch nur wenige Erholungssuchende an den saisonalen Schönheiten der Landschaft - ein Pärchen schlendert durch Wilsede, drei Spaziergänger sind auf dem Weg zum Totengrund. Aktiv sind dagegen jetzt die Profis - Dachdecker verpassen einem kleinen Reetdachhaus im idyllischen Wilsede ein neues Dach, und ein Stück außerhalb des Ortes lenkt Andreas Bartels seine schwere Maschine über die Heideflächen. Der 40-Jährige, der als Land- und Forstwirt beim VNP beschäftigt ist, rückt den Feinden der Heide zuleibe.

Ein kleiner Wald aus Kiefern muss heute weichen - im Schatten unter den Bäumen erhalten die Heidepflanzen zu wenig Licht, sie gehen ein. Da der VNP sich aber den Erhalt der typischen Vegetation auf seine Fahnen geschrieben hat, werden jedes Jahr Teilflächen wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt, der hier seit 6000 Jahren vorherrscht. Von Oktober bis Ende Februar dauert die Pflegesaison in der Heide.

Mannshohe Bäume "frisst" der von Bartels bediente Forstmulcher fast mühelos, Bahn für Bahn arbeitet sich die Maschine voran, erst wenn der sechs Kubikmeter fassende Anhänger voll ist, muss Bartels die Arbeit unterbrechen, um die Ladung am Rand abzukippen. Die Maschine ist eine Spezialentwicklung für die Heide - was hinten herauskommt, sind klein gehacktes Holz und abgemähte Heide. Nach einer sinnvollen Verwendung dafür wird noch gesucht. Möglicherweise sei das Material zur Wärmegewinnung geeignet, sagt Julia Hallmann (30), die beim VNP den Fachbereich Informationseinrichtungen leitet.

Maschinell erfolgt das "Entkusseln", also das Entfernen von Bäumen aus den Heideflächen, nur bei größeren Flächen mit zusammenhängendem Baumbestand, ansonsten ist hier Handarbeit angesagt. Viele machen dabei mit - Feuerwehren und Kegelclubs, Vereine, Jäger und Schulklassen machen sich Jahr für Jahr auf den Weg in die Heide, um Bäume zu fällen. Wer mitmachen möchte, kann sich beim VNP unter 05198/987030 über die Termine der Entkusselungsaktionen informieren.

Die wichtigsten - und preiswertesten - Pfleger der Heidelandschaft sind die 6000 Heidschnucken, die mit Unterstützung von 300 Ziegen das ganze Jahr über die Vegetation im Naturschutzgebiet kurz halten. Sogar wenn Schnee liegt, "buddeln sie sich durch", so Mathias Zimmermann. Doch nicht alle Aufgaben können die Herden lösen. Wenn der Boden zu viele Nährstoffe enthält, wird die Heide zurückgedrängt - deshalb muss der Mensch eingreifen. Ohne diesen Einsatz würden die Heideflächen innerhalb weniger Jahre verschwinden. Da der Boden ständig mit Stickstoff aus der Luft angereichert wird, würden Gräser und Gehölze ansonsten die genügsamen Heidepflanzen verdrängen.

Deshalb wird überalterte Heide abgebrannt, alte Heide gemäht, der Boden "geschoppert" und "geplaggt". Wo mit dem Einsatz von Feuer störender Bewuchs bekämpft wird, geschieht dies streng kontrolliert und unter Aufsicht der Feuerwehr. Alle fünf bis sieben Jahre müssen die Heideflächen gemäht werden. Dies ist unter dem Strich weitgehend kostenneutral: Heidemahd ist ein beliebtes Material - sie wird für Dachfirste bei Reetdächern verwendet, als Filtermaterial zur Abluftreinigung in Schweine- und Geflügelställen und zum Nestbau der Pinguine in Hagenbecks Tierpark in Hamburg.

"Schoppern und Plaggen" bezeichnet mechanische Verfahren, bei denen neben der Vegetation auch die nährstoffreiche obere Schicht des Bodens mit entfernt wird. Eingesetzt werden Bagger und eigens entwickelte Spezialmaschinen. Drei bis fünf Jahre nach der Maßnahme sind die bearbeiteten Flächen wieder vollständig mit Heide bedeckt. Die Heide braucht nicht neu ausgesät zu werden, "Heidesamen überlebt 100 Jahre im Boden", erklärt Julia Hallmann.

Die Lüneburger Heidelandschaft sei "eine Perle in Europa", betont Mathias Zimmermann. "Wir müssen diese einzigartige Landschaft auf Ewigkeit erhalten", mahnt der VNP-Geschäftsführer. Dass dies durchaus harte Arbeit ist, davon können sich zurzeit die wenigen Erholungssuchenden in der Heide überzeugen.

www.verein-naturschutzpark.de