Gerichtsurteil hebelt Rechtsgrundlage aus, mit der Windräder über 100 Meter Höhe verhindert werden können

Lüneburg. Stürmische Zeiten könnten dem Landkreis Lüneburg drohen, weil das Verwaltungsgericht Lüneburg im Juni die Möglichkeit genommen hat, die Ansiedlung von Windkraftanlagen als zuständige Genehmigungsbehörde zu steuern. Das Gericht erklärte die im Regionalen Raumordnungsprogramm des Kreises ausgewiesenen Vorrangstandorte für Windräder als ungültig. Sie liegen in dem Gemarkungen Amelinghausen, Südergellersen, Embsen/Melbeck, Köstorf und Boitze.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, aber die Unsicherheit groß. Eine rechtliche Grauzone bei der Genehmigung von Windrädern ist entstanden, die der Landkreis jetzt schnellstmöglich wieder verlassen will. "Ein neuer Teilplan für die Windenergie wird nun für die Regionalplanung mit externen Experten erstellt", sagt Kreissprecherin Kathrin Peters. Ein vom Gericht beanstandeter Formfehler, der schlimmstenfalls weitreichende Wirkung haben könnte, wird korrigiert. "Weil wir auf der rechtlich sicheren Seite sein wollen", so Peters.

Hintergrund: Im Oktober 2007 hatte ein Unternehmen aus Oldenburg beim Landkreis erstmals einen Vorbescheid für den Bau von fünf, jeweils 145 Meter hohen Windkrafträdern an der Straße nach Neu Wittorf in Bardowick beantragt. Im März 2008 lehnte der Kreis den Antrag zum ersten, im November zum zweiten Mal ab. Begründung: Das dem Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Bardowick übergeordnete Raumordnungsprogramm sehe dort keine Windenergie vor, sondern ein Vorsorgegebiet für Landschaft und Natur. Der Konzern zog vors Verwaltungsgericht - und siegte.

Die Samtgemeinde Bardowick hätte laut Gericht über Windräder bis zu 100 Metern Höhe selbst entscheiden können, für höhere hat der Landkreis mit dem Raumordnungsprogramm die Entscheidungshoheit. Die Frage, warum große Windräder nicht erlaubt sein sollen, obwohl kleine es sind, hätte der Kreis abwägen müssen, habe es aber nicht getan, monierten die Richter seinerzeit und erlaubten den Bau der Riesen-Windräder.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, würde das bedeuten, dass das Regionale Raumordnungsprogramm von 2003, was die Festlegung von Vorrangflächen für Windenergie betrifft, für das gesamte Kreisgebiet unwirksam wäre. Das ist in der Vorlage der Verwaltung zur jüngsten Sitzung des Ausschusses für Raumordnung, Wirtschaft und Verkehrsplanung des Kreistages zu lesen. "Möglichen zukünftigen Anträgen auf Errichtung von Windenergieanlagen könnten dann Ziele der Regionalplanung nicht entgegen gehalten werden", heißt es weiter.

Eine akute Gefahr, dass nun überall im Kreisgebiet Riesenspargel aus dem Boden schießen, Windparks entstehen, die weder von Gemeinden, noch Bürgern gewollt sind, bestehe nach den Worten von Kreissprecherin Peters jedoch nicht. "Zum einen ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und das Oberverwaltungsgericht hat noch nicht über eine Beschwerde von uns entschieden. Zum anderen regeln auch die Flächennutzungspläne der Kommunen die Ansiedlung von Windkraftanlagen bis 100 Meter Höhe", sagt sie. Überdies liege dem Kreis aktuell keine Bauanfrage vor.

Allerdings, so räumt auch der Landkreis ein, hätten einige Gemeinden keine planerische Vorsorge getroffen, und Vorrangflächen für die Windenergie ausgewiesen. Ein Blick in die Samtgemeinde Dahlenburg zeigt, zu was das führen kann. Da die Samtgemeinde Ende der 1990er-Jahre nicht rechtzeitig Vorrangflächen benannt hatte, drehen sich heute rund 20 Windräder in dem Gebiet der Kommune. Gegen deren Bau liefen Bürger erfolglos Sturm.

Die Kreisverwaltung ist überzeugt, dass für den Bau von Windrädern die Steuerung durch den Landkreis auf der Ebene der Regionalplanung erforderlich ist. Allerdings sei nach dem aktuellen Planungsstand für die kurz vor dem Abschluss stehende Fortschreibung des Raumordnungsprogramms in diesem Jahr ein Aufsatteln des neuen Teilplans für die Windenenergie nicht mehr möglich. "Doch 2013 kommt ein komplett neues Raumordnungsprogramm. Daher ist der Teilplan nicht für den Papierkorb, sondern wird in die neuen Planungen einfließen", sagt Kreissprecherin Peters.