Niedersachsens Justizminister sieht Aufarbeitung der NS-Zeit noch nicht am Ende

Lüneburg. Während der internationalen Konferenz zum Thema Belsen-Prozess 1945 in Lüneburg hat Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann Konsequenzen aus den Erkenntnissen der Tagung und die weitere strafrechtliche Aufarbeitung der NS-Zeit gefordert. Mit dem Belsen Trial 1945, dem ersten Prozess gegen Naziverbrecher in Deutschland, begann "das bis heute fortdauernde zähe Ringen um Wahrheit, Aufarbeitung und Anerkennung von Unrecht, gegen Verdrängen und Vergessen der grauenhaften Verbrechen während der Nazidiktatur", sagte Busemann in Lüneburg.

Die Aufarbeitung der Naziverbrechen, dieser "Katastrophe der Menschheitsgeschichte" setze die Anerkennung des Unrechts voraus. Die Aufarbeitung erfordere Wiedergutmachung von Verlusten und erlittenem Unrecht durch finanzielle Hilfen an Opfer und die Bestrafung individuell zurechenbarer Täterschaft. "Angesichts der Gräuel der NS-Zeit möchte ich das Wort Gerechtigkeit in diesem Zusammenhang gar nicht erst nennen. Die heute erreichte Aussöhnung der Völker können wir Deutsche nur dankbar annehmen", sagte Busemann. Aufgabe der Strafjustiz sei es, begangenes Unrecht aufzuarbeiten und dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen.

Bei Verbrechen, an denen mit Unterstützung des Staates breite Teile der Bevölkerung und die Eliten teilnehmen, sei dieses Ziel oft nur sehr begrenzt zu realisieren. Hier stoße das Strafrecht an seine Grenzen. Es sei nur bedingt zur Vergangenheitsbewältigung geeignet. Denn der Zweck der Strafverfolgung müsse sich darauf beschränken, die persönliche Verantwortung des Einzelnen im staatlicherseits angeordneten Massenmord aufzuzeigen und zu ahnden.

"Die Feststellung der Schuld des verbrecherischen Einzeltäters war und ist die Herausforderung für die Gerichte", sagte der Justizminister. Solange es auch nur theoretisch denkbar sei, dass noch ein Täter "unter uns" sei, sei der Staat auch aus moralischen und historischen Gründen zur strafrechtlichen Aufarbeitung verpflichtet.

Die Auseinandersetzung mit dem ersten Kriegsverbrecherprozess in Deutschland hat laut Busemann das Entstehen und die Ausbreitung des Nationalsozialismus beleuchtet, aber auch den Beginn seiner Aufarbeitung. Jede Erkenntnis sei als ein Mosaikstein unersetzlich, um den mit wachsender Distanz immer unbegreiflicher werdenden Komplex der Shoa oder des Holocaust fassbarer zu machen. Busemann: "Eine Konferenz wie diese ist vielleicht eine der letzten Möglichkeiten, überlebenden Opfern und Zeitzeugen zuzuhören. Wir sollten sie nutzen."