Neue Kommunalverfassung geplant. Städte- und Gemeindebund bezweifelt Notwendigkeit und fordert Finanzreform

Lüneburg. Seit mehr als 50 Jahren regeln die niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) und die niedersächsische Landkreisordnung (NLKO) die Angelegenheiten der Kommunen.

Jetzt will die Landesregierung eine kommunale Verfassung aus einem Guss schaffen.

Auch für die kleinsten Gemeindeparlamente, die Ortsräte, stehenden Änderungen an. Ihnen soll es möglich sein, in Zukunft einen Etat für eigene Angelegenheiten selbst zu verwalten. Auch ihr Aufgabenkatalog soll sich leicht erweitern. So sollen die Ortsräte über die Namensgebung für Straßen und Plätze selbst entscheiden dürfen.

"Letzteres ist bestimmt ein Riesengewinn für uns", sagt Jens-Peter Schultz (SPD), Ortsbürgermeister in Ochtmissen. "Aber Spaß beiseite - ich hätte aufgrund der Reform auch eine Abschaffung der Ortsräte für möglich gehalten, das wurde immerhin diskutiert. Wenn der Gesetzgeber jetzt einen anderen Weg geht und die Ortsräte erhält, finde ich das in Ordnung. Wir praktizieren hier schließlich ein Stück Basisdemokratie und teuer sind wir auch nicht", meint Schultz.

Die Ortsräte in Ochtmissen und Oedeme sind Relikte der Gebietsreform in den siebziger Jahren. Damals verloren beide Gemeinden ihre Selbstständigkeit, durften aber ein kleines Ortsparlament behalten.

Als langjähriger Kommunalpolitiker weiß Jens-Peter Schultz, dass es in den Sitzungen der Ortsräte nicht um große Politik geht. "Solche Entscheidungen laufen weiter über den Stadtrat und das ist auch in Ordnung. Wir vermitteln bei kleinen Alltagssorgen. Der Weg ins Rathaus ist dafür manchmal zu lang", sagt Schultz.

Für die Zukunft möchte er vor allem praktikable Regelungen. "Wenn wir eigene Etats zugewiesen bekommen, ist das zunächst einmal nicht schlecht. Derzeit habe ich rund 800 Euro pro Haushaltsjahr für freiwillige Leistung zur Verfügung, das ist nicht viel. Bei einem eigenen Budget müsste aber auch das Abrechnungssystem praktikabel bleiben, schließlich sind wir alle Ehrenamtler", sagt Schultz.

Freuen über einen Zuwachs an Kompetenzen würde sich auch Christel John (CDU), stellvertretende Ortsbürgermeisterin in Oedeme. "Eine Erhöhung unseres Etats ist nicht nur wünschenswert, sondern dringend nötig. Derzeit bezahlt unser Ortsbürgermeister vieles aus eigener Tasche. Es sind nicht nur die runden Geburtstage, sondern beispielsweise auch Weihnachtsfeiern für Senioren, die bedacht sein wollen. Auf Dauer ist das bei den 4000 Einwohnern, die unser Stadtteil inzwischen hat, kaum möglich."

Einen Geldsegen aus dem Lüneburger Rathaus erwartet sie nicht, die Finanznöte der Kommunen sind schließlich allgemein bekannt. Über einen Zuwachs an Entscheidungsbefugnissen würde sie sich aber freuen. "Wenn wir etwas mehr als bisher regeln dürften, wären wir schon froh. Bei der Straßensanierung zum Beispiel hätten wir gern ein Mitspracherecht, auch wenn ich weiß, dass die finanzielle Lage angespannt ist", sagt Christel John.

Zweifel an der Neuregelung hat der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NStGB). Dort sieht man die Notwendigkeit für eine Reform nicht. Die bisher geltenden Vorschriften seien den Ratsmitgliedern vertraut, Änderungsbedarf in großem Umfang gebe es nicht. Was die Ortsräte anbelangt, so könnten sie bestimmt einen eigenen Etat gebrauchen. "Aber die Zuweisung eigener Mittel erzeugt auch mehr Betreuungsbedarf, darauf weisen wir hin. Das eigentliche Problem der Kommunen hat die Landesregierung mit diesem Gesetz nicht angepackt. Was dringend gebraucht wird, sind nicht ein paar Verfahrensregeln hier und da, sondern eine Gemeindefinanzreform", sagt Thorsten Bullerdieck, Sprecher des NStGB in Hannover.