Ratsfraktion der Linken hält an ihrem Modell fest. Für OB Ulrich Mädge ist Effizienz der Kartensysteme entscheidend

Lüneburg. In Oldenburg, Braunschweig, Bremen, Hannover und Göttingen gibt es sie schon: Die Sozialcard. Mit ihrer Hilfe können Einkommensschwache bestimmte kulturelle Leistungen am Heimatort zum Vorzugspreis beziehen. In Lüneburg nahmen im März 2007 die Linken im Stadtrat den ersten Anlauf zur Einführung einer Sozialcard: Ein einheitliches Rabattsystem sollte für Bezieher niedriger Einkommen den Zugang zum gesellschaftlichen Leben in der Stadt erleichtern.

"In Lüneburg gibt es nur ein Angebot für Senioren, dabei hängt die Bedürftigkeit doch nicht primär vom Alter ab", sagt Malte Riechey, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat. Die Mehrheit der Mitglieder im Stadtrat folgte dem Vorschlag der Linken zur Schaffung einer Sozialcard jedoch nicht: Für zu aufwendig hielt man die Einführung damals, der Bedarf für Lüneburg sei nicht da, hieß es.

Inzwischen haben die Linken einen neuen Vorschlag für eine schrittweise Einführung des Sozialtickets gemacht: Eine vergünstigte Karte für den Nahverkehr soll die Mobilität der Betroffenen erhöhen, die bisher sporadisch gewährten Ermäßigungen bei den Eintrittsgeldern diverser Einrichtungen sollen vereinheitlicht werden.

Seit kurzem liegt der Antrag dem Sozialausschuss der Stadt vor - doch jetzt plant auch der Bund die Schaffung eines Sozialtickets. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) will den Kommunen eine Chipcard verordnen, mit deren Hilfe Kinder von Hartz-IV-Empfängern Bildungs- und Freizeitleistungen abrufen können.

Anlass für die beabsichtigte Regelung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Danach reichen die bisherigen Regelungen im Hartz-IV-Bereich für Erwachsene und Kinder nicht aus, um den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu gewährleisten.

Der Bundesgesetzgeber muss nun nachbessern - doch Riechey hält den neuen Vorstoß der Bundesregierung für komplett misslungen: "Mit der geplanten Chipkarte für Kinder von Hartz-IV-Beziehern werden die Betroffenen im Alltag sofort erkennbar. Sie werden stigmatisiert und bevormundet. Den Eltern wird unterstellt, dass sie selbst die richtigen Leistungen für ihre Kinder nicht auswählen können." Außerdem bestehe die Gefahr, dass als nächsten Schritt die entsprechenden Leistungen für Kultur und Bildung aus den Regelsätzen bei Hartz-IV-Empfängern herausgenommen werde und so die Regelsätze unterm Strich noch kürze: "Schließlich gibt es dann ja die Chipcard."

Die Linken sind davon überzeugt, dass ihr Modell für Lüneburg der bessere Weg ist, denn es belasse den Kommunen wie den Empfängern Flexibilität und eine Wahlfreiheit bei der Abwicklung der Leistungen. "Bei dem Modell der Bundessozialministerin soll voraussichtlich der französischer Konzern Sodexo, der bereits mit Chipkartensystemen arbeitet, mit der Abwicklung der Leistung rund um die Sozialkarte beauftragt werden."

Das führe auch zu Problemen mit dem Datenschutz: "Man kann leicht Bewegungsbilder von denjenigen erstellen, die ihre Chipcard in Anspruch nehmen. Außerdem ist nicht einzusehen, warum ein privater Konzern, der mit seinen Dienstleistungen Geld verdienen will, von der Notlage der Betroffenen profitieren soll. Wir streben die Ausgabe einer zusätzlichen Ausweiskarte in Lüneburg für alle an, die sie nötig haben, das ist die einfachste und beste Lösung", so Malte Riechey.

Der Deutsche Städte- und Gemeindetag zieht ein mögliches Teilhabepaket für Kinder jedenfalls einer gleichfalls in der Diskussion befindlichen Erhöhung der Regelsätze vor. Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) möchte mit einer endgültigen Bewertung noch warten. "Das Stuttgarter Modell beispielsweise einer Bildungscard ist eine interessante Variante. Vorher muss Frau von der Leyen jedoch erst einmal bekannt geben, wie viel Geld der Bund pro Kind monatlich ausgeben wird. Dann können wir uns gemeinsam über die technischen Verteilungsinstrumente unterhalten", sagt Mädge. Das System müsse effizient sein, damit die Leistung zweckentsprechend und unbürokratisch bei den Menschen ankomme.