Wer in Lüneburg in einem Denkmal wohnt, ist zu beneiden.

Die alte Stadt bietet so fantastische Häuser aus früheren Jahrhunderten, dass allein der Geist der vergangenen Generationen ein Haus schon zu einem Zuhause machen kann. Knarrende Dielen, manndicke Balken, fürs Leben zu tiefe oder zu hohe Decken und Fundstücke ehemaliger Besitzer auf Dachböden: Ein Leben im Denkmal ist spannend und kann wunderbar bereichernd sein.

Es kann aber auch unglaublich nervtötend sein, Kraft raubend, Geld vernichtend und Zeit kostend. Bauherren müssen auf Zustimmungen aus der überlasteten Bauverwaltung warten, ihre Pläne bis aufs kleinste Detail mit den Mitarbeitern der Behörde absprechen - das geht bis zur Farbe ihrer Türen. Dann sind Denkmal-Besitzer nicht zu beneiden.

Der Streit um den Lüneburger Westbahnhof wirft ein Schlaglicht auf den nur schwer zu lösenden Konflikt im Denkmalschutz zwischen Praxis und Realität auf der einen Seite und Theorie und Vision auf der anderen Seite. Gewerbeflächen mit großen Fenstern, aber ohne Klimaanlage oder wirksamen Sonnenschutz sind nun einmal schwer zu vermieten. Aber mit Werbefolien zugeklebte Rundbögenfenster sind eine Beleidigung für Architektur und Auge.

Gut, wenn eine Stadtverwaltung behutsam mit ihren Denkmälern umgeht und Gewinn nicht vor Denkmalschutz geht. Nicht gut aber wäre, wenn der Schutz zur Folge haben sollte, dass Denkmäler womöglich leer stehen - weil es sich nach modernen Anforderungen an ein Gebäude und nach heutigem Standard nicht in ihnen leben oder arbeiten oder in sie investieren lässt. Dass es so weit nicht kommt, ist die große Herausforderung, vor der eine Stadt mit so wertvollem Denkmal-Bestand wie Lüneburg steht.