Pulverisiertes Obst aus Dahlenburg gibt es bei den Astronauten der simulierten Mars-Mission in Russland zum Frühstück.

Dahlenburg. Eine Orange besteht zu 90 Prozent aus Wasser - wenn sie in Brasilien vom Baum gepflückt wird. Wenn eine Orange in Dahlenburg vom Band läuft, besteht sie zu 1,5 Prozent aus Wasser. Aus der runden Frucht ist ein gelbes Pulver geworden. Mehrere 100 Kilogramm Pulver-Orangen hat der Lebensmittelverarbeiter Molda jetzt nach Moskau geliefert. Astronauten mischen daraus Saft während ihres simulierten Fluges zum Mars.

Sie sind zu sechst, sie tragen unaussprechliche Namen, und sie sind seit dem 3. Juni von ihrer Umwelt komplett isoliert: Romain Charles (31), Sukhrob Rustamovich Kamolov (37), Alexey Sergevich Sitev (38), Alexandr Egorovich Smoleevskiy (32), Diego Urbina (27) und Yue Wang (27).

Das 10- bis 15-Millionen-Euro-Projekt von russischer Weltraumagentur Roskosmos und europäischer ESA findet in Moskau statt, dort leben die Astronauten 520 Tage vom Rest des Globus abgekoppelt in einem Komplex aus 38 Quadratmetern Medizin- und Forschungslabor, 72 Quadratmetern Wohnfläche und 94 Quadratmetern Vorratskammer. Für die 30 Tage der simulierten Marslandung ist ihre Welt 39 Quadratmeter größer: Die Fläche simuliert die Oberfläche des Planten.

Rund 15 000 Fertigmahlzeiten lagern in der Vorratskammer - und eine halbe Tonne Fruchtsaftpulver. Wenn Romain Charles, Sukhrob Rustamovich Kamolov, Alexey Sergevich Sitev, Alexandr Egorovich Smoleevskiy, Diego Urbina und Yue Wang Orangensaft zum Frühstück trinken wollen, müssen sie ihn erst anmischen: 300 Gramm Pulver mit einem Liter Wasser.

2000 Kilometer weiter westlich erklärt Hans Staudenmaier in der Fabrik in Dahlenburg, warum: "Um Gewicht zu sparen und um das Produkt möglichst lange haltbar zu machen." Die Molda AG ist einer von zwei Herstellern von Fruchtsaftpulver in Europa, Hans Staudenmaier ist der Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung. Als die Universität Erlangen in Dahlenburg anfragte, ob Molda pulverisiertes Obst für die Simulation eines bemannten Fluges zu dem im Durchschnitt 228 Millionen Kilometer entfernten Planten Mars liefern könne, sagte Staudenmaier nach einem kurzen Blick in seine Produktpalette Ja. Und empfahl das Vakuumgetrocknete.

Das liefert die Molda AG üblicherweise in 25-Kilo-Säcken an die Industrie. "Wo es letztlich landet, wissen wir oft gar nicht", sagt der Lebensmitteltechnologe, der vor nachgeholtem Abitur und Studium Bäcker und Konditor gelernt hat. "Meistens sind es Back- und Tortenmischungen und Desserts."

Im Vakuum kocht Wasser bereits bei zehn oder 20 Grad, der Vorteil: Das Lebensmittel kann getrocknet werden, ohne dass es stark erhitzt werden muss. Das Lebensmittel ist im Fall der Fruchtsäfte ein Konzentrat - für die Astronauten aus Orange, Apfel und schwarzer Johannisbeere. Das Konzentrat stellen andere Firmen her, aus Orangen in Brasilien, aus Äpfeln und Johannisbeeren in Europa, zum Beispiel in Polen.

Dort verlässt zum ersten Mal Wasser das Obst: Vom Ursprungsgehalt 90 Prozent sinkt der Anteil auf rund 30 Prozent. Aus dem aus den Früchten gepressten Saft bleibt eine dicke Flüssigkeit übrig. Die rollt per Lkw in großen Fässern oder Containern auf das Gelände der Molda AG in Dahlenburg.

Und dort beginnt der Weg vom Konzentrat zum Pulver: Das Stärke-Abbauprodukt Maltodextrin wird zugesetzt, damit das Pulver am Ende nicht so hygroskopisch ist und Wassermoleküle aus der Luft anzieht und verklumpt. Zu diesem Zeitpunkt besteht die Substanz noch aus 20 Prozent Wasser - bis sie in den sogenannten Vakuum-Bandtrockner gepumpt wird.

Kaum kommt das Konzentrat auf die teflonbeschichteten Laufbänder auf den Heizplatten, siedet es, schäumt auf und wird so trocken, dass es bricht. Fein vermahlen, wird das Pulver dann abgefüllt - für die Industrie in 25-Kilo-Säcke, für die Mars-Astronauten in handliche Alubeutel im Gramm-Bereich.

Wenn Romain Charles, Sukhrob Rustamovich Kamolov, Alexey Sergevich Sitev, Alexandr Egorovich Smoleevskiy, Diego Urbina und Yue Wang sich in Moskau aus einem Beutel gelbem Pulver einen Liter Orangensaft fürs Frühstück anrühren, trinken sie zu 40 Prozent Frucht und zu 60 Prozent Maltodextrin.

Für den alltäglichen Gebrauch empfiehlt Hans Staudenmaier seinen vakuumgetrockneten Saft übrigens nicht. "Es ergibt wenig Sinn, das Wasser erst aufwendig und teuer herauszuholen, um es später wieder hineinzugeben", sagt der Diplom-Ingenieur und fügt mit einem Lächeln hinzu: "Es sei denn, man fliegt zum Mars."