Organspendetransplantation hinter sich haben: Betroffene radeln in zehn Etappen von Lüneburg nach Greifswald und klären über das Thema auf.

Lüneburg. Katja Konwer strahlt. Sie freut sich auf die Fahrradtour mit Menschen, die wie sie eine Organtransplantation hinter sich haben oder auf ein lebenswichtiges Organ warten. Konwer selbst lebt seit 2006 mit einer transplantierten Leber. "Das war der Beginn eines neuen Lebens", sagt die 40-jährige lebensfrohe Frau aus Bienenbüttel.

In diesem Jahr sind 25 Menschen zwischen 35 und 65 Jahren in einer besonderen Mission unterwegs. Auf ihrer Strecke von Lüneburg nach Greifswald fahren sie in zehn Etappen Transplantationszentren, kleinere Krankenhäuser und öffentliche Plätze an, mit dem Ziel, die Bevölkerung für das Thema Organtransplantation zu sensibilisieren. Zuletzt war die Zahl derer, die nach ihrem Tod Organe gespendet und damit schwer kranken Menschen geholfen haben, im Vergleich zum Vorjahr um 7,4 Prozent gesunken ist. 1200 Organspenden wurden im vergangenen Jahr bundesweit durchgeführt. Das sind 96 weniger als 2010. Jeden Tag sterben drei Menschen in Deutschland, weil sie ein dringend benötigtes Spenderorgan nicht rechtzeitig erhalten.

"Wir wollen als Betroffene authentisch über das Thema informieren und aufklären. Wenn die Menschen anfangen, über das Thema Organspende nachzudenken, ist unser Ziel schon erreicht", so Katja Konwer. "Und irgendwann sollte man sich entscheiden, und wenn es auch gegen die Organspende ist."

1992 merkt Katja Konwer, dass etwas nicht stimmt. Sie fühlt sich schwach und ausgelaugt. Ein Jahr später wird PSC, eine sehr seltene und unheilbare Autoimmun-Erkrankung der Leber, diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt ist Katja Konwer 19 Jahre alt, die Ausbildung in einem medizinischen Beruf hat sie gerade abgeschlossen. Die Perspektive, auf eine Spenderleber angewiesen zu sein, ist ein Schock für sie. Anfangs ist sie nicht bereit, sich der Transplantation zu stellen. Dabei hat sie sich schon früh mit dem Thema beschäftigt: Schon mit 16 Jahren hatte sie einen Organspendeausweis ausgefüllt. Zu diesem Zeitpunkt ahnt sie nicht, dass sie selbst einmal ein Organ benötigen wird.

Die Krankheit bestimmte die nächsten 14 Jahre das Leben von Katja Konwer. Ihre vertraute Umgebung in der Lüneburger Heide verließ sie und zog nach München. "Ich wollte nicht hier geboren sein und hier sterben ohne etwas Anderes gesehen zu haben", sagt sie heute dazu. Auch in München besserte sich ihr Gesundheitszustand nicht, im Gegenteil. Die Krankheit schritt voran, die guten Phasen wurden kürzer, die Klinikaufenthalte häufiger. Dann entschied Katja Konwer, sich für ein Spenderorgan anzumelden. "Ich war in einem so schlechten Zustand, ich konnte nicht mehr und war für die Transplantation bereit", sagt Katja heute. Im März 2006 kommt der Anruf: "Wir haben ein Organ für sie." Katja erinnert sich an die letzen Minuten, bevor sie einschläft: "Ich war absolut ruhig. Entweder es würde klappen oder nicht." Die Operation war ein Erfolg. Bald schon konnte sie Dinge tun, die jahrelang nicht möglich waren: Schwimmen, Handball spielen und Radfahren. Katja genießt es, leistungsfähig zu sein - ohne Schmerzen. Ihrem Spender ist Katja dankbar, dass sie wieder ein aktives Leben führen kann.

Die Teilnehmer der Radtour wollen die Fahrt auch dazu nutzen, um auf ihren Etappen zu demonstrieren, wie sehr die Lebensqualität ehemals schwer kranker Menschen durch die Spende gestiegen ist. Zugleich ist es den Organisatoren ein Anliegen, den Betroffenen ein Gesicht zu geben. Viele Dialysepatienten radeln stellvertretend für ihre Leidensgenossen mit.

Katja Konwer radelte schon 2008 und 2009 für die Organspende. Dann wurde sie wieder krank. Aktuell ist sie auf dem Weg der Erholung und weiß nicht, ob ihre Kondition für die komplette Radtour reichen wird. "Hauptsache ich bin dabei." Im Notfall steigt sie ins Auto und fährt gemeinsam mit Ursula Poth die Etappen.

Die Pfälzerin transportiert neben dem Rad Stellwände, Banner und sämtliche für die Tour notwendige Utensilien in ihrem Transporter. Seit 30 Jahren ist sie Dialysepatientin, dreimal wöchentlich jeweils fünf Stunden. Das Blutreinigungsverfahren kommt bei Nierenversagen als Ersatztherapie zum Einsatz. Vier Nieren wurden Ursula Poth bereits transplantiert. "Bei mir ist immer etwas schief gelaufen", so die 48-jährige Frau aus Edenkoben. Dort führt sie ein in den Weinbergen gelegenes Gästehaus. "Jeder von uns betreibt Aufklärungsarbeit von zu Hause aus, darüber hinaus sind wir alle in Selbsthilfegruppen engagiert", sagt Poth. Auch spricht Katja Konwer regelmäßig vor Landfrauen über ihre Krankheit und das Thema Organspende. In Niedersachsen wurden im vergangenen Jahr 12,6 Organspender pro Million Einwohnern gezählt. Das Bundesland hat 7,9 Millionen Einwohner. Transplantiert wurden 2011 in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein 319 Nieren, 58 Herzen, 177 Leber, 63 Lungen, 32 Bauspeicheldrüsen und ein Dünndarm.

Finanzieren müssen die 25 Radler ihre Radtour selbst. "Etwa 550 Euro koste die Reise jeden von uns", so Konwer. Dabei vergisst sie nicht zu erwähnen, dass aktuell die Deutsche Gesellschaft für Gewebespende den Radlern 12 000 Euro spendete.

In Lüneburg spendierte das Klinikum den Radlern ein deftiges und opulentes Frühstück. Empfangen wurden die Sportler von Prof. Christian Frenkel, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie. Im vergangenen Jahr wurde das Klinikum von der Deutschen Stiftung Organtransplantation ausgezeichnet für sein besonderes Engagement in der Organspende.

Ausschlaggebend für die Vergabe der Auszeichnungen sind Kriterien wie die Unterstützung der Transplantationsbeauftragten durch die Klinikleitungen, die Fortbildung des Personals sowie die Erarbeitung von Leitlinien und Verfahrensschritten für den Akutfall Organspende. Frenkel ist Transplantationsbeauftragter des Klinikums. "Wir sind kein Haus, das Explantationen vornimmt. Schwerverletzte werden bei uns erstversorgt und dann nach Hamburg überwiesen. Allerdings würden wir mehr Spender bekommen, wenn allgemein in den Krankenhäusern ein größeres Bewusstsein dafür herrschen würde und entsprechende Strukturen bestünden."

In Lüneburg gibt es zum Thema Organspende unter anderem verschiedene Selbsthilfegruppen für Menschen mit Spenderorganen und Informationen im Internet.

www.fuers-leben.de