Die Stadt klärt Mieter der Frommestraße 5 über Ergebnisse der Prüfstatiker auf. Bis Juni müssen sie ausziehen - das Haus ist einsturzgefährdet.

Lüneburg. Seit einer Woche sind die schlimmsten Befürchtungen der Mieter an der Frommestraße 5 wahr: Sie müssen bis Mitte Juni ausziehen. Der Grund ist ein Standsicherheitsgutachten, das die Stadt in Auftrag gegeben hat. Darin kommen die Prüfstatiker zu dem Ergebnis, dass das Haus Nummer fünf akut einsturzgefährdet ist.

Bei einer Bürgerinformationsveranstaltung am Freitagabend im Glockenhaus hat die Verwaltung die Mieter über das Gutachten und seine Folgen informiert.

"Mich hat das Ergebnis des Gutachtens kalt erwischt", sagt Stadtbaurätin Heike Gundermann. Ähnlich wie bei der Frommestraße 4 sei sie davon auszugehen, dass das Haus noch einige Jahre sicher stehen könne. "Bei Nummer fünf liegt jedoch eine Kombination aus der Senkung und Vernachlässigung des Hauses durch den Eigentümer vor", sagt sie. Dort seien nur Mieten kassiert, jedoch keine Instandsetzungen vorgenommen worden.

Als 2009 die Senkungen im Bereich Frommestraße zunahmen, bat die Stadt den Eigentümer um ein Gutachten zur Standsicherheit. Das ließ er nie anfertigen. Die Spur des Mannes verliert sich gegen Ende des vergangenen Jahres in Mexiko. Als die Stadt jedoch bei einer Begehung im Oktober vergangenen Jahres neue Risse feststellt, gibt sie selbst ein Gutachten in Auftrag. Christian Mädge, weder verwandt noch verschwägert mit Oberbürgermeister Ulrich Mädge, vom Büro WK Consult hat dieses Gutachten mit angefertigt. "Ein großes Problem ist die Trennwand zum Haus Nummer vier", sagt er. Nachdem 2002 das angrenzende Haus ein Stahlkorsett zur Stabilisierung erhalten habe, sei diese gemeinsame Trennwand jetzt fester Bestandteil von Haus Nummer vier. Das senkt sich, von der Straße aus gesehen, nach rechts und nimmt die Trennwand mit. "Bis zu 80 Zentimeter Luft ist inzwischen zwischen den Gebäuden", sagt Mädge.

Dadurch entstünden statische Probleme. Die Stahlträger im Keller würden nämlich auf der sich entfernenden Wand aufliegen. "Die Geschossdecke löst sich dort gut sichtbar durch bis zu zwei Zentimeter breite Risse", sagt der Prüfstatiker. Zudem gäbe es versteckte Schäden. "Wir nehmen an, dass es bereits Risse im Inneren der Wand, im Gipskarton, gibt", sagt Mädge. Durch die ziehenden Kräfte könne der Gipskarton brechen. Außerdem seien Risse an Fenster- und Türstürzen zu beobachten. "Wenn ein Sturz wegbricht und dort zufällig ein Balken aufliegt, kann ein Reißverschlussverfahren entstehen, das den Einsturz des Gebäudes zur Folge hat", warnt der Prüfstatiker.

Durch den Standort des Hauses, am Rand eines Senkungstrichters, ziehe sich außerdem bereits ein senkrechter Riss über drei Viertel des Gebäudes. "Wir befürchten, dass das Haus in zwei Teile zerbrechen könnte. Dann kann es Windeinwirkungen nicht mehr trotzen", sagt Christian Mädge.

Bereits einen Tag nach Erhalt des Gutachtens hat die Stadt mit Standsicherungsmaßnahmen begonnen. "Die Sicherheit der Bewohner war uns im ersten Schritt am wichtigsten", sagt Heike Gundermann. Laut Christian Mädge gewährleiste das Abstützen mit Holzbalken jedoch nur für einen Übergangszeitraum die Sicherheit. "Wir gehen von etwa zwölf Wochen aus", sagt er. Um das Haus längerfristig zu sichern, seien hohe wirtschaftliche und technische Aufwendungen nötig. "Das wäre nur in unbewohntem Zustand möglich und rentiert sich kaum."

Oberbürgermeister Ulrich Mädge appellierte an die Bewohner, sich nach Wohnungen umzusehen. Beim Umzug würde die Stadt helfen. Wohnungen gäbe es unter anderem bei der Lüneburger Wohnungsbaugesellschaft. Außerdem habe man mit Vermietern gesprochen, die freiwerdende Wohnungen für die Mieter aus der Frommestraße reservieren würden. 26 Mieter sind dort gemeldet. Sie möchten jedoch nur gemeinsam mit den Mietern aus Haus Nummer vier umziehen. Gegen die läuft derzeit eine Räumungsklage und für das Haus ein Antrag, es aus dem Denkmalschutz zu entlassen. Dann könnte es abgerissen werden. Für Heike Gundermann ist das das wahrscheinlichste Schicksal der beiden Häuser. "Die Fünf ist einsturzgefährdet, wir werden sie nur absichern. Wenn jemand das Haus kauft, wäre es am wirtschaftlichsten es abzureißen. Und ohne das Nachbarhaus kann die Vier nicht stehen", sagt sie.

Oberbürgermeister Ulrich Mädge versprach den Anwohnern, dass er sie nicht auseinander dividieren möchte. "Sie könnten übergangsweise in andere Wohnungen ziehen. Bei Verhandlungen mit einem neuen Vermieter würden wir ihnen helfen", sagt er. Dass die Mieter Mitte Juni aus dem Haus müssen, steht für ihn jedoch außer Frage: "Wir sind für ihre Gesundheit verantwortlich. Da gibt es zurzeit keinen Ermessensspielraum."