25 junge Leute aus verschiedenen Ländern haben vor Ostern mit Tauschgeschäften und Arbeit bezahlt. Sonntag war das Abschlussfest.

Lüneburg. Die Osterferien haben Judith Petzold, Fidel Hauck und Sarah Laustroer dazu genutzt, 25 junge Leute aus Deutschland, Österreich und Bulgarien nach Lüneburg einzuladen - und für ein paar Tage gemeinsam ohne Geld zu leben. Am Ostersonntag feierte die Gruppe ihr Abschlussfest im Zickengarten am Kalkberg.

Pächter Eckhart Schöne hatte die jungen Leute eingeladen, in seinem Wirtschaftsgarten mitzuarbeiten - und zum Fest am Sonntag kamen auch viele Nachbarn. Für die kleinsten Besucher hatte Angelika Frank vom Stadtjugendring ein Dutzend Plüschhasen mitgebracht. Kinder und Jugendliche hatten die gespendeten Stofftiere aufgehübscht und mehrfach gewaschen. "Auch das ist nachhaltig", sagt Angelika Frank. "Und viel besser, als schadstoffbelastete neue Billigware zu kaufen."

Außerdem passten die Second-Hand-Hasen zum Konzept der Gäste: Geschlafen hat die Gruppe in der Heilpädagogischen Hofschule in Wendisch Evern, und schon dort fing der Versuch an, ohne Münzen und Scheine zu leben.

"Wir durften in der Aula übernachten im Tausch gegen Fensterputzen", erzählt Fidel Hauck, 22, der im vierten Semester Umweltwissenschaften an der Leuphana Universität studiert. Fahrräder durften sie von der Selbsthilfewerkstatt "Konrad" leihen, bei der Küche halfen die Bewohner des Bauwagenplatzes am Ebelingweg aus.

Die Idee für das Projekt hatten Judith Petzold, Fidel Hauck und Sarah Laustroer schon im vergangenen Sommer. Mit ihren Kommilitonen reden sie viel über Postwachstum und solidarische Ökonomie - und diesen Gedankenaustausch wollten sie auf breitere Füße stellen. Sie schrieben Freunde in Österreich und Bulgarien an, formulierten einen Projektantrag für den Fördertopf "Jugend in Aktion" der Europäischen Union (EU) - und bekamen positive Antworten.

+++ Altländer Jugend braucht Perspektiven +++

Denn ganz ohne Geld war der Versuch, ohne Geld zu leben, natürlich nicht umsetzbar. Die EU zahlte für die Idee der Lüneburger Studenten unter dem Titel "Gutes Leben. Neue Wege zu einer solidarischen Gemeinschaft denken" 70 Prozent der Fahrtkosten der Teilnehmer plus eine Pauschale.

"Uns war es wichtig, die Theorie der Postwachstumsökonomie mit der Praxis zu verbinden"; erklärt Fidel Hauck. Insgesamt elf Tage haben die jungen Leute debattiert, gemeinschaftlich bei Eckhart Schöne gegärtnert, sich in Permakultur geübt, eine Kräuterspirale gebaut und gemeinsam gelebt, ungefähr die Hälfte der Zeit sind sie ohne Geld ausgekommen. Den Startpunkt bildete dabei eine Walnuss: Die Nüsse haben die Teilnehmer in gemischten Kleingruppen so lange gegen andere Lebensmittel eingetauscht, bis eine reich gedeckte Tafel auf die jungen Leute wartete. Anschließend haben die Deutschen, Österreicher und Bulgaren den Lüneburgern Dienstleistungen angeboten, haben Autos gewaschen, Kunststücke und Straßenmusik gemacht, Kisten auf dem Markt geschleppt, bei der Drogerie Budnikowski geholfen und einem allein erziehenden Vater in dessen Küche einen Kuchen gebacken. "Er hatte zwar die Zutaten, aber nicht die Zeit", sagt Fidel Hauck. "Wir haben immer überlegt: Wer hat, was wir brauchen, und was können wir dafür im Tausch anbieten."

Doch ganz so einfach war das gar nicht. "Die meisten Leute wollten uns etwas spenden oder einfach so geben", sagt Judith Petzold, 23. Doch das torpedierte die Idee, betont Fidel Hauck: "Wir wollten ja nicht betteln, sondern tauschen: entweder Produkte oder Arbeitskraft." Je selbstständiger die Angesprochenen, desto besser funktionierte es, sagt er, und seine Mitstudentin ergänzt: "Viele hatten einfach zu wenig Zeit zu überlegen, was wir für sie tun könnten."

Und doch sind die beiden mit ihrem Projekt zufrieden, wollten sie die Angesprochenen doch in erster Linie zum Nachdenken anregen. Auch Patricia Falmbigl, 24, aus Wien war "überrascht, wie gut es funktioniert hat. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, etwas davon werde ich auf jeden Fall zu Hause ausprobieren."

Auch in Lüneburg soll das Projekt nicht verpuffen. Für den Garten am Kalkberg bauen die Lüneburger eine Öko-Toilette auf Schwarzerde-Basis, und eine Gruppe rund um Judith Petzold, Fidel Hauck, Sarah Laustroer und Lea Koch plant bereits die nächste Stufe neuer Gemeinschaft: das Projekt "Grünraum", ein Gemeinschaftsgarten. "Das soll der Selbstversorgung dienen, aber auch Sozialraum sein", sagt Lea Koch, 26, die Nachhaltigkeitswissenschaften studiert. "Doch damit stehen wir noch relativ am Anfang."