Letzter Teil der Serie Lebenslanges Lernen: Engpässe an Schulen - Quereinsteiger ins Lehramt sind in der Region zunehmend gefragt.

Lüneburg. Der Job ist sicher, gut bezahlt und familienfreundlich: Lehrer. Doch weil der Berufsalltag häufig anstrengend, gar auslaugend ist, entscheiden sich zu wenig junge Leute für diesen Beruf. Auch an Schulen in der Region Lüneburg rechnet die niedersächsische Landesschulbehörde für die kommenden Jahre mit Engpässen. Gerade in Physik, Latein und Informatik werden viele Lehrer fehlen, sagt Corinna Fischer, Sprecherin des niedersächsischen Kultusministeriums.

Gefüllt werden die Lücken zunehmend mit Quereinsteigern. Derzeit unterrichten laut Fischer etwa 70 Männer und Frauen in Niedersachsen an allgemein oder Berufsbildenden Schulen, ohne ein grundständiges Lehramtsstudium absolviert zu haben; das sind drei Prozent aller Lehrer.

Simone Roggendorf aus Lüneburg unterrichtet an der Kooperativen Gesamtschule (KGS) in Bad Bevensen Englisch und Französisch. Statt auf Lehramt hat sie Anglistik, Romanistik und Kunstgeschichte auf Magister studiert und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg gearbeitet. Dann wurde sie schwanger. "Ich habe die Vereinbarkeit meiner Arbeit mit einer Familie nicht gesehen", sagt die 45-Jährige. Als ihr Projekt endete, wurde ein langjähriger Gedanke immer konkreter: Warum nicht ins Lehramt wechseln?

Nach ihrem Umzug nach Lüneburg machte sich Simone Roggendorf bei der Landesschulbehörde schlau: Wie sind die Anforderungen an Quereinsteiger? Welche Entwicklungsmöglichkeiten bietet der Lehrerberuf?

Grundsätzlich ist der Quereinstieg in den niedersächsischen Schuldienst auf zwei Wegen möglich: Neben der direkten Bewerbung für den Schuldienst - in diesem Fall ist man Angestellter im öffentlichen Dienst und besucht berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen - gibt es den Weg über das 18-monatige Referendariat, auch Vorbereitungsdienst genannt. Wer diesen erfolgreich abschließt, ist anderen Lehrern gleichgestellt.

In beiden Fällen ist unter bestimmten Voraussetzungen, so dürfen Bewerber nicht älter als 45 Jahre sein, eine Verbeamtung möglich. Informationen gibt es auf der Homepage des Kultusministeriums: www.mk.niedersachsen.de .

Für Simone Roggendorf war wegen ihrer Fächerkombination und ihres Alters die Variante mit dem Angestellten-Verhältnis sinnvoller. Die Bewerbung hat sie im Internet ausgefüllt. "Das ging ruck, zuck: mein Werdegang, Zeugnisse dazu, fertig." Rund zwei Wochen später klingelte ihr Telefon. Die Leiterin der KGS Bad Bevensen, Christel Auer, bot ihr eine Stelle als Vertretungskraft an.

Das war vor zweieinhalb Jahren. Inzwischen hat Simone Roggendorf die nötigen Studienseminare hinter sich gebracht, unterrichtet in einer zwölften Klasse Französisch, ist Ko-Klassenleiterin einer neunten Klasse und betreut selbst eine Referendarin. Außerdem vertritt sie derzeit den Fachbereichsleiter Fremdsprachen; wird die Stelle ausgeschrieben, will sie sich darauf bewerben. "Ich wurde hier großartig integriert und habe von den Kollegen und der Schulleitung große Unterstützung erfahren", sagt Roggendorf.

Auch mit den Schülern ist die Neu-Pädagogin von Anfang an gut zurechtgekommen. Schwierig war für sie dagegen, nach dem Lehrbuch zu arbeiten. "Ich komme ja von der Uni, bin an wissenschaftliches, projektorientiertes Arbeiten gewöhnt. Hier an der Schule werden eher kleine Schritte gemacht. Aber das Fachdidaktische habe ich dann in der Ausbildung gelernt."

Einmal wöchentlich besuchte sie ein Pädagogik-Studienseminar, alle zwei Wochen musste sie zum Studienseminar Englisch und Französisch. Hinzu kam der Unterricht, dessen Vor- und Nachbereitung sowie die Vorbereitung auf Unterrichtsbesuche durch die Fachbereichsleiter. "Das war schon sehr anstrengend", sagt Simone Roggendorf, "in der Schule war ich eine vollwertige Kollegin, eine Klassenleiterin. Dazu noch berufsbegleitend zu studieren, ist keine Kleinigkeit." Doch es hat sich gelohnt, meint die Pädagogin. "Mir macht die Arbeit unheimlich viel Freude. Und ich finde es spannend, mich weiterentwickeln zu können."

Auch Birgit Nieskens von der Leuphana Universität Lüneburg hält viel von Quereinsteigern - "durch die persönlichen biografischen Erfahrungen bringen sie häufig frischen Wind in die Schule". Nieskens ist Deutschland-Koordinatorin des Projekts Career Counselling for Teachers, einer Internet-Plattform zur Laufbahnberatung für Lehrer, und forscht zum Thema Quereinstieg. Viele Ergebnisse - zum Beispiel zu Abbruchquoten - gebe es aber noch nicht.

Das wird sich ändern, glaubt die Wissenschaftlerin. "Früher waren Quereinsteiger eine absolute Notlösung. Heutzutage werden es immer mehr, in manchen Bundesländern machen sie bereits neun und mehr Prozent aller Lehrer aus." Im internationalen Vergleich hinke Deutschland deutlich hinterher, "das hängt mit unserem Bildungssystem zusammen". Dieses würde aber zunehmend durchlässiger.

Doch nicht jeder sollte sich vor eine Klasse stellen. Nieskens: "Das ist ein höchst anspruchsvoller Job. Den kann man nicht so mit links machen, wenn man in seinem anderen Beruf gescheitert ist." Grundsätzlich sollten Bewerber Spaß an der Wissensvermittlung haben, kommunikativ und offen sein. Das Wichtigste aber: "Man muss Kinder und Jugendliche mögen und gern mit ihnen arbeiten." Wer Lehrer werden möchte, kann auf der Homepage www.cct-germany.de einen Eignungstest machen.