Defizit in der Kasse trotz hoher Auslastung: Im Theater Lüneburg wird jede Karte mit 62 Euro gefördert. Der Steuerzahlerbund hatte zu hohe Zuschüsse kritisiert.

Lüneburg. Eine Auslastung von fast 100 Prozent beim Musical "My Fair Lady" und der Komödie "Ladies Night", um die 85 Prozent bei den Klassikern "Kabale und Liebe" und "Buddenbrooks" - und trotzdem ein Defizit in der Kasse. Das Theater Lüneburg kann trotz hoher Besucherzahlen nicht ohne Zuschüsse in Millionenhöhe leben. Ein Fakt, den der Bund der Steuerzahler nicht länger akzeptieren will.

Wie berichtet, kritisiert die Vereinigung die "hohe Dauer-Subventionierung der Theaterunternehmen". In der Spielzeit 2009/2010 sei jeder Euro eines Theaterbesuchers mit fünf bis sechs Euro von den übrigen Steuerzahlern bezuschusst worden. Sämtliche öffentlichen Theater in Niedersachsen und Bremen hätten "bedenklich niedrige Kostendeckungsgrade".

So zahlte laut Statistik des Deutschen Bühnenvereins im Staatstheater Oldenburg jeder Besucher im Durchschnitt 18,97 Euro - und der Steuerzahler zusätzlich 128,36 Euro je Karte. Im Schlosstheater Celle sind es vergleichsweise niedrige 41,09 Euro, mit der jedes Ticket vom Staat gefördert wird. Im Theater Lüneburg beträgt der öffentliche Zuschuss pro Eintrittskarte 62,88 Euro.

Vergleichbar sind die Zahlen aber nicht, denn das Schlosstheater bietet nur eine einzige Sparte an: das Schauspiel. Im Lüneburger Haus gibt es neben Sprechtheater auch teure Musicals und Opern sowie Tanztheater.

Verwaltungsdirektor Volker Degen-Feldmann, Herr der Zahlen im Lüneburger Haus, sagte zur aktuellen Debatte und der Kritik des Steuerzahlerbunds gegenüber dem Abendblatt: "Wir arbeiten am untersten Limit, sind unterm Strich wirtschaftlich. Der Kostendeckungsgrad in Niedersachsen beträgt im Durchschnitt 16,5 Prozent, bei uns sind es 24,1 Prozent. Der Zuschuss pro Besucher liegt niedersachsenweit bei 100,69 Euro, der Erlös pro Besucher bei 19,84 Euro. Bei uns sind es 20,01 Euro."

Im Orchester, mit 29 Musikern wohl eines der kleinsten Symphonieorchester Deutschlands, haben die Mitglieder lediglich 80-Prozent-Verträge und damit auch nur 80 Prozent Lohn.

+++ Ballett, Kinderoper und Schauspiel haben Premiere im Theater +++

Und in diesem Jahr besuchen so viele Menschen wie noch nie das Lüneburger Haus. Gut möglich, dass das Theater erstmals die 100 000er-Marke knackt. Zum Vergleich: Gießen mit seinen 76 000 Einwohnern hat rund 91 000 Theaterbesucher pro Saison und 122 Euro Zuschuss pro Karte, bei einem Budget von 14 Millionen Euro. Das Lüneburger Budget liegt bei ungefähr der Hälfte: 7,5 Millionen.

"Es gibt kaum ein Drei-Sparten-Haus in Deutschland, das mit so wenig Subventionen auskommt wie unseres", sagte der Intendant und Geschäftsführer Hajo Fouquet dem Abendblatt. "Und das bei 30 Premieren und 400 Vorstellungen im Jahr." Anfang 2012 seien die Preise um sechs Prozent erhöht worden, "das wird künftig regelmäßig in angemessener Höhe passieren, etwa im Bereich des Inflationsausgleichs", kündigte der Theaterchef an.

Für ihn darf die Debatte aber nicht bei den Zahlen enden. Denn: "Kultur ist ein politischer Wille, keine Privatveranstaltung." Deutschlands Rohstoffe liegen laut Fouquet in Denkern, Entwicklern und Wissenschaftlern. "Wenn wir Kultur und Bildung zumachen, geht das Land baden." Es gehe nicht darum, Goethe auswendig zu kennen, sehr aber darum zu wissen, worum es bei Goethe geht. "Es geht um Geistes- und Verstandesbildung." In der Premiere gestern Morgen der Kinderversion von Mozarts Oper "Don Giovanni" hätten die Mädchen und Jungen 50 Minuten lang konzentriert, lachend und klatschend im Jungen Theater gesessen. Bildung höre eben nicht in der Schule auf.

Als "lebensnotwendige Zuschüsse" bezeichnet auch Ulrich Völker die staatliche Förderung. Der kulturpolitische Sprecher der Grünen im Rat der Stadt sagte dem Abendblatt: "Das Theater strahlt als größtes Kulturinstitut auf die ganze Region und bildet mit Musikschule und Museen ein unentbehrliches Netzwerk. Das Denken über Strukturen soll weitergehen, eine Radikalkur aber stößt ins Leere. Das Theater braucht die Grundsubvention. Sie ist lebensnotwendig, um die Bildungsaufgabe gemeinsam mit den Schulen zu erfüllen. Ohne Kultur verroht der Mensch."

Eugen Srugis (SPD), Aufsichtsratmitglied des Theaters, verteidigt die Mischfinanzierung aus öffentlichen Mitteln und Eintrittsgeld. "Wir achten darauf, dass die Kosten im Rahmen bleiben. Trotzdem sind sie erheblich, und ohne Subventionierung geht es nicht, wenn wir möglichst viele Menschen an Kultur beteiligen wollen. Das System ist angemessen. Ich bezweifle, dass sich der Steuerzahlerbund zu einem solchen Thema kompetent äußern sollte. Denn das ist eine politische Entscheidung."