Kampf um den Erhalt der Schule: Betroffene Eltern, Lehrer und Politiker empfinden die Abschaffung der Förderschule Schaperdrift als überstürzt.

Lüneburg. "Unsere Schule soll nicht sterben, wir wollen hier nicht weg und möchten nicht in die Stadtschule." Maylin (12), Salims (10) und Fiza (12) haben vor einem Discounter in Stadtteil Oedeme Unterschriften gesammelt und zahlreiche Lüneburger gefunden, die wie sie denken. Eltern, Lehrer und Schüler der Förderschule an der Schaperdrift kämpfen seit Wochen wie die Löwen um den Erhalt ihrer Schule. Hintergrund der Umstellung ist das Gesetz zur inklusiven Beschulung in Niedersachsen, dass der Landtag beschlossen hat. Die Förderschule in Oedeme hat einen guten Ruf weit über die Kreisgrenzen hinaus. Umso größer ist die Sorge vieler Eltern um die Zukunft ihrer Kinder, wenn die Schule schließen muss.

Wie berichtet, soll das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung unter dem Stichwort Inklusion der Regelfall werden . Dazu verpflichtet eine UN-Konvention. Damit werden Förderschulen überflüssig, die seit Jahrzehnten Kinder mit Lernproblemen aufnehmen. Der Empfehlung des Schulausschusses folgend, hat aktuell der Kreisausschuss beschlossen, dass an der Schaperdrift bereits ab dem Schuljahr 2012/2013 keine weiteren Erstklässler aufgenommen werden. Stattdessen will der Kreis als Träger der Schule gemeinsam mit der Stadt Lüneburg ein Förderzentrum an der Johannes-Rabeler-Schule einrichten.

Der Beschluss des Kreisausschusses, in dem auch Landrat Manfred Nahrstedt vertreten ist, hat Gewicht. Es ist davon auszugehen, dass der Kreistag ihm folgt.

Noch am 9. März hatte sich Landrat Nahrstedt in einem Brief an die Eltern der Förderschulkinder gewandt: "Für die Kinder, die zum heutigen Zeitpunkt die Schule an der Schaperdrift besuchen, wird es keine Veränderung geben. Alle werden an der Schule bis zum Ende ihrer Schulzeit bleiben können."

Xandra Bollow ist misstrauisch und glaubt nicht der Zusage des Mannes, der noch nie während seiner Amtszeit die Schule besucht haben soll. "Ich glaube, es wird keine fünf Jahre dauern, bis die Kinder aus der Schule raus müssen. Dem Landrat geht es nicht um die Inklusion", so die Vorsitzende des Schulelternrats. Ihm gehe es um die benötigten Räumlichkeiten für das benachbarte Gymnasium. 130 Kinder zählt die Schule. "Ich würde für jedes dieser Kinder in den Krieg ziehen", so die zweifache Mutter.

Offiziell hat der Kreisausschuss dem Landrat den Auftrag erteilt, Gespräche mit der Hansestadt Lüneburg aufzunehmen. Ist es doch im Sinne des Oberbürgermeisters, dass Kinder mit dem Förderschwerpunkt L (Lernen) zukünftig die stark sanierungsbedürftige Johannes-Rabeler-Schule besuchen. So ist es wahrscheinlich, dass zum Ausbau der Stadtschule auch Landkreis-Gelder fließen, "wenn es nötig ist", so der Landkreis in der vergangenen Sitzung des Schulausschusses.

+++ Krach um die Inklusion von Förderschülern +++

Schulleiterin Katrin Pfeffer versteht nicht, warum die Förderschulen derart übereilt geschlossen werden. "Stattdessen sollten die sonderpädagogische Kompetenzen dieser Schulen erhalten bleiben und genutzt werden", so Pfeffer. "Wir wissen nicht, worauf die Entwicklung hinausläuft. Aus meiner Sicht werden Entscheidungen vorschnell getroffen." Eine Verbündete findet die engagierte Schulleiterin in Susanne von Stern, CDU Ratsfrau im Stadtrat: "Ich persönlich und die CDU empfinden die Entscheidung, Kinder mit dem Förderschwerpunkt L bereits ab Sommer nur noch in der Rabeler-Schule oder der Kurt-Löwenstein-Schule in Bleckede aufzunehmen, als absolut überstürzt." Unruhe im Kreis von Eltern, Schülern und Lehrern aller Schulen seien die Folge. "Ohne eine bestehende Notwendigkeit hauen wir auf Kosten aller etwas kaputt. Wenn wir etwas abschaffen, dann müssen wir einen geprüften Ersatz dafür haben." Allein deshalb, weil Förderschulen und Förderschulkinder keine Lobby haben.

Xandra Bollow hat zwei Kinder auf der Schule, die sich großartig in der Förderschule entwickelt haben. "Auch ich finde integrative Schulen gut, aber eine Förderschule darf nicht so einfach abgeschafft werden." Mitarbeiter und Eltern der Schule berichten, wie schon jetzt die drohende Schließung den Kindern zu schaffen macht. Die einen plagen Albträume, andere weinen. "Wir wollen nicht weg und falls wir doch weg müssen, dann gehen wir nicht mehr in die Schule", so die Kinder.

Dazu der Landrat in seinem Elternbrief: "Inklusion geht sehr viel weiter und ist mehr als Integration. Inklusion stellt einen Paradigmenwechsel dar und erfordert ein Umdenken in der Bildungspolitik. Inklusion bedeutet auch, die innere Haltung neue zu justieren. An die Stelle des Frage, in welcher Förderschule Kinder und Jugendliche mit Behinderungen beschult werden sollen, soll nun eine Kultur des Willkommenseins an unseren Regelschulen treten." Dafür werden in der Hansestadt zukünftig keine zwei Förderschulen benötigt, so der Landrat.