Viel Geduld war nötig. 2003 hat Günter Pietz einen Bauantrag gestellt. Nach elf Jahren rücken nun die Arbeiter an und beginnen mit dem Bau.

Mechtersen. Neun Jahre. So lange hat es gedauert, bis Günter Pietz an einer Baugrube auf seinem Grundstück in Mechtersen hocken und zufrieden in eine Kamera lächeln kann. Das Loch in der Erde ist für den Keller einer geplanten Garage gedacht. Für die hatte Pietz im März 2003 einen Bauantrag gestellt. "Was ich seitdem erlebt habe, ist der Wahnsinn pur", sagt der 70-Jährige. Und kann darüber lachen. Mittlerweile.

Angefangen hat alles eigentlich schon vorher. Sicherlich noch nicht 1976, als Pietz das Grundstück mit der Adresse Am Hainbuchenfeld 4 in Mechtersen kauft. Aber 2002, als der frisch pensionierte Polizeibeamte dort ein zweites Haus bauen will. Damals entscheidet der Bauherr kurzfristig, statt des zunächst beantragten und bereits bewilligten Einfamilienhauses lieber an zwei Parteien vermieten und dafür das Dach ausbauen zu wollen.

Er stellt einen Bauänderungsantrag. Und lässt die Arbeiter anfangen, noch bevor er die Genehmigung hat. Sein Nachbar, damals Bürgermeister der kleinen Gemeinde, beantragt einen Baustopp. "Ist das eine Baubehörde oder eine Bauverhinderungsbehörde?", schimpft Pietz damals im Amt. Zu Hause grübelt er. Fragt sich, wie er aus der Nummer wieder herauskommt.

Doch die Nummer verläuft im Sande. Statt einer Baustoppverfügung liegt eines Tages die Genehmigung des Änderungsantrages in seinem Briefkasten. 530 Euro Strafe für die Ordnungswidrigkeit muss er trotzdem zahlen.

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Der Ärger ist überstanden. Doch dass er sich mit seinem nächsten Vorhaben noch mehr davon einhandeln wird, ahnt Günter Pietz nicht, als er vor ziemlich genau neun Jahren einen Bauantrag für eine Garage mit Nebenräumen stellt, zehn mal 14 Meter groß. Darin sollen die Mieter ihre Autos parken können, sie soll ganz hinten auf seinem Grundstück liegen, dort, wo der Nachbar der Bürgermeister ist.

Die Samtgemeinde Bardowick lehnt den Antrag ab, auch der Bürgermeister der Gemeinde unterschreibt den Brief. Begründung: Die Garage liege zu weit weg von der Straße. Der Landkreis teilt Pietz mit, der Antrag werde zurückgestellt. Begründung: Die Gemeinde plane eine Änderung des Bebauungsplans.

Im Mai 2003 informiert die Gemeinde ihre Bürger über die Änderungen - und Günter Pietz läuft Sturm. Erhebt Einwände, verweist aufs Grundgesetz. Er sagt: "Das war alles wirres Zeug. Und verstieß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz."

Doch Pietz schreibt gegen eine Wand. Im September 2003 tritt die Änderung in Kraft. Für ihn heißt das: Der hintere Teil seines Grundstücks ist auf einmal kein Bauland mehr, sondern private Grünfläche. Er darf dort nichts bauen, keine Nadelgehölze in Reihe pflanzen und muss pro 300 Quadratmeter mindestens einen hochstämmigen Obstbaum oder standortheimischen Laubbaum pflanzen.

Günter Pietz versteht die Welt nicht mehr. Oder auf einmal ganz und gar. "Die haben sich über alles hinweggesetzt", sagt er. Im Dezember kommt Post mit der offiziellen Ablehnung des Bauantrags für die Garage. Pietz nimmt sich einen Anwalt, legt Widerspruch ein. Keine Chance. Im August 2004 legt der Jurist Klage vor dem Verwaltungsgericht ein.

Irgendwann gibt es einen Ortstermin. Mit dem Richter, Vertretern der Gemeinde, der Samtgemeinde und des Landkreises. Der Richter schlägt einen Vergleich vor. Pietz sagt: "Dann stand ich da mit meinem kurzen Hemd." Es will zwar kleiner bauen, aber nicht weiter vorne. Da steht sein Lieblingskirschbaum. Und der muss bleiben.

Es gibt noch einen Ortstermin - und im Mai 2006 steht der Vergleich: Günter Pietz darf bauen, 85 Quadratmeter statt 140, und zwar zum großen Teil auf seiner "privaten Grünfläche". Die Kosten teilen sich Pietz, Gemeinde und Landkreis. Dann jedoch warnt der Architekt, es gäbe ein Problem mit dem Gefälle. Die mögliche Lösung: ein Keller.

Pietz reicht einen neuen Antrag ein - inklusive Keller. Es dauert ein Jahr, aber im Oktober 2007 hält er eine Genehmigung in den Händen. Allerdings ohne Keller. Pietz ruft schnaubend im Bauamt an, "da war der Teufel im Spiel", doch drei Tage später liegt ein neues Schreiben im Briefkasten. Die Genehmigung mit Keller.

Er holt Kostenvoranschläge ein, doch es ist die Zeit des Baubooms, und Pietz beschließt, auf sinkende Preise zu warten. Die Genehmigung ist schließlich drei Jahre gültig.

An dieser Stelle könnte die Geschichte von Günter Pietz und den Behörden zu Ende sein.

Doch Pietz ist "hartleibig", wenn es um sein Recht geht und er Unrecht wittert, sagt er. Er macht weiter. Schließlich passt ihm der Bebauungsplan nicht, den ihm die Gemeinde verpasst hat. Sein Anwalt rät, noch einen Bauantrag zu stellen. Doch Pietz weiß es mittlerweile besser, stellt bloß eine Bauvoranfrage - denn Ablehnungen von Anträgen kosten Gebühren.

Im Februar 2008 fragt er an für eine Gartenlaube und ein Gewächshaus. Der Landkreis verweist wie erwartet auf die private Grünfläche und rät ihm, die Anfrage zurückzuziehen. "Banane", sagt Günter Pietz und hält daran fest. Am 5. Januar 2009 bekommt er die Ablehnung. "Endlich", denkt er - und geht zu seinem Anwalt. Der Mann aus Mechtersen legt Widerspruch ein, der wird abgelehnt, und im März 2009 folgt die Klage.

Gemeinde und Landkreis beantragen bei Gericht die Zurückweisung der Klage, doch der erfahrene Verwaltungsjurist Dr. Ernst Ludwig Nell donnert zurück. Erfolgreich. Es kommt zur Verhandlung. Am 15. September 2011.

Das Urteil, 23 Seiten stark, gibt dem streitbaren Bürger Recht. Die Änderungen im Bebauungsplan sind unwirksam, die öffentlichen Belange nicht gewichtig genug, um den Bestandsschutz aus Artikel 14 Grundgesetz aufzuweichen. Pietz darf Gewächshaus und Gartenlaube bauen.

"Da die Gemeinde bei der Bauleitplanung auch an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz gebunden ist, darf sie nicht ohne sachlichen Grund einem einzelnen Grundstückseigentümer bauliche Nutzungsmöglichkeiten entziehen, die seinen Grundstücksnachbarn erhalten bleiben", schreibt der Richter.

Zudem ist laut Urteilsbegründung auf Luftbildern zu sehen, "dass auf mehreren Hausgrundstücken in der näheren Umgebung ebenfalls Nebenanlage im rückwärtigen Grundstücksbereich errichtet worden sind".

Der pensionierte Bundesgrenzschutz-Beamte lacht, wenn er das Urteil liest. Seine Kosten der vergangenen Jahre hat der Rentner erstattet bekommen und sieht sich endlich auf der Siegerstraße. "Wir haben auf ganzer Linie gewonnen, das gab eine Ohrfeige für die Behörden", sagt Pietz zufrieden. Er steht nach neun Jahren das erste Mal zufrieden lächelnd auf dem hinteren Teil seines Grundstücks. Dort, wo in zwei Wochen die Arbeiten für die vor neun Jahren beantragte Garage weitergehen.

Mit Gewächshaus und Gartenlaube will sich der Rentner übrigens Zeit lassen. Er hat ja drei Jahre, bis die Baugenehmigung verfällt. Und dass Günter Pietz einen langen Atem hat, das hat der unbeugsame Bürger aus Mechtersen in den vergangenen Jahren schließlich mehrfach mit Erfolg bewiesen.