Bewohner und Naturschützer im Amt Neuhaus an der Elbe streiten um eine neue Deichtrasse. Letzte Chance ist jetzt ein Runder Tisch.

Preten. Die Pretener sind wütend - und verzweifelt. Seit Jahren hoffen sie darauf, dass endlich die vom Neuhauser Deich- und Unterhaltungsverband (NDUV) geplanten Deiche gebaut werden. Versprochen sind sie allemal.

Allerdings ist es nicht die Elbe, vor der sich im Falle eines Hochwassers die Einwohner des kleinen Dorfes im Amt Neuhaus fürchten. An dem Hauptfluss sind die Deiche rundum erneuert. Es sind Sude und Krainke, zwei Nebenflüsse der Elbe, die sich östlich und westlich am Ort vorbeischlängeln. Dass die alten Deiche entlang der Flüsse nicht mehr funktionsfähig sind, hat sich bei der Flut im vergangenen Jahr gezeigt.

Neue Schutzwälle sind nötig, darüber herrscht Einigkeit. Doch Pretener und Umweltschutzverbände streiten sich trefflich darüber, wo die neue Deichtrasse verlaufen soll. Wünschen sich die Dorfbewohner eine Sanierung und Erhöhung der bestehenden Deiche mit einem entsprechenden Abstand zum Dorf, besteht der Naturschutz (Biosphärenreservatsverwaltung, NABU, BUND, Stork-Foundation, Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Lüneburg sowie das Niedersächsische Umweltministerium) auf einer umfassenden Ausdeichung. Seine Vertreter wollen die Deiche nah an das Dorf gerückt sehen, damit bei einem Hochwasser elbseitig weiträumig Flächen überfluten werden können.

+++ Mensch und Naturschutz +++

Doch das sind Flächen, die Dorfbewohner als wertvolles Ackerland einstufen und "nicht ins Wasser werfen wollen", sagt Sigbert Helle, Sprecher des Arbeitskreises Preten. Dazu zählt das Gebiet "Karchau-Rade" nordwestliche von Preten gelegen. Auf diesen Wiesen lässt Klaus Seebürger seine Schafe weiden. Er besitzt 5000 Mutterschafe und 100 Rinder. "Preten ist unser Hauptstandort. Sollten Karchau und Rade ausgedeicht werden, müssen wir auf 70 Hektar verzichten", sagt der Schäfer. Die von den angedachten Ausdeichungen betroffenen Landwirte wollen ihr Land nicht verkaufen und auch Pretener Bürger befürchten Nachteile für ihre Sicherheit, wenn große Flächen ständig vernässt und bestehende Polderflächen aufgegeben werden.

"Es ist schwer, neue Flächen zu bekommen", sagt Seebürger. Sicherlich, das Land muss dem Schäfer eventuelle Verluste ausgleichen. "Ich bin voller Hoffnung, Ersatzflächen zu erhalten. Gleichzeit auch sehr skeptisch, denn so wie ich den Bereich hier kennen, gibt es keine Flächen in der Art, wie ich sie brauche. Was uns verloren geht, dass sind Flächen zur Nahrungsmittelproduktion für Mensch und Tier." Ist doch die noch eingedeichte Karchau-Rade nicht nur Evakuierungsgebiet für Tiere. Auch wird hier Winterfutter wie Heu, Mais und Getreide produziert.

So zeigt sich die Situation in Preten um den Deichbau verfahrener denn je. Um einen Kompromiss zu finden, haben das Niedersächsische Umweltministerium und der Landkreis Lüneburg einen Runden Tisch gegründet.

An den regelmäßigen Treffen beteiligen sich Almut Kottwitz, Abteilungsleiterin im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Kreisrätin Monika Scherf, Klaus Seebürger sowie die Pretener Johannes Haker (Mitglied des Verbandsausschusse des NDUV), Olaf Nettelbeck (Sprecher des Arbeitskreises Kultur Natur Preten) sowie Hans Ebeling (Verbandsvorsteher des Neuhauser Deich- und Unterhaltungsverbandes NDUV)

Die Gesellschaft steht unter Druck. Denn kann sie sich nicht bald auf eine Lösung einigen, könnten für den Deichbau bereitliegendes Geld anderweitig eingesetzt werden.

"Die Mittel für Deichschutz im Binnenland liegen nicht üppig auf der Straße. Das Risiko, dass sie bei knapper Kassenlage anderweitig verwendet werden, ist groß", sagt Kreisrätin Monika Scherf. Noch wehren sich die Pretener gegen die naturschutzfreundliche Variante des Trassenbaus. Und das, obwohl Teile der auzudeichenden Gebiete als Schutzzonen des Biosphärenreservats der höchsten Schutzkategorie C gelten. Die Abneigung vieler Bürger gegen die Naturschutzorganisationen, im Besonderen die Stork-Foundation, die sich der Rettung des Weißstorchs verschrieben hat, ist groß.

"Falls es keine Einigung gibt, ist die Arbeit des Runden Tisches beendet", sagt Almut Kottwitz. Mit der naturnäheren Südvariante gäbe es die Chance, die Deiche an der Krainke noch in diesem Jahr zu bauen. Beharren die Pretener auf die vom Deichverband geplante Nordvariante, werden die Umweltverbände vor Gericht ziehen.

Almut Kottwitz und Monika Scherf geben nicht auf. Ein Joker könnte sein, den Bereich Karchau-Rade aus den vorläufigen Planungen herauszunehmen, um wichtige Deichbauarbeiten auf den Weg zu bringen.