Teil 3 der Abendblatt-Serie: Alexandra Afonso Antao gewinnt dank eines Förderprogramms der Landesregierung neue berufliche Perspektiven.

Lüneburg. Frustriert war sie. Unterfordert und unzufrieden. Jahrelang kümmerte sich Alexandra Afonso Antao um Kinder und Haushalt - in ihrem Beruf sah die studierte Jazz-Sängerin und Diplom-Gesangspädagogin keine Perspektive. Jetzt macht die 37-jährige Reppenstedterin eine Ausbildung zur Heilpraktikerin.

Dass sie diesen Schritt gewagt hat, verdankt sie IWiN. "Individuelle Weiterbildung in Niedersachsen" heißt das EU-Förderprogramm mit vollem Namen, das Weiterbildungsmaßnahmen von Mitarbeitern kleiner und mittelständischer Unternehmen mit bis zu 70 Prozent fördert. Wird ein Arbeitnehmer für die Weiterbildung freigestellt, ist sogar eine Förderung von bis zu 90 Prozent möglich. Auch für Freiberufler kommt eine finanzielle Unterstützung durch IWiN infrage.

So auch bei Alexandra Afonso Antao. Schon lange habe sie über eine Ausbildung zur Heilpraktikerin nachgedacht, sagt die brünette Sängerin. "Seit 15 Jahren gebe ich Gesangsunterricht. Ich stieß immer wieder an die Grenzen meines Unterrichtskonzepts." Viele ihrer Schüler hätten körperliche oder motorische Probleme, die sie daran hinderten, frei im Ausdruck zu sein. "Deshalb wollte ich gerne mehr über den Körper und seine Krankheitsbilder erfahren. Mit einer medizinischen Ausbildung kann ich dann denen, die es wollen, eine zusätzliche Hilfe anbieten."

Dieses Konzept überzeugte auch Angela Mundstock, Weiterbildungsberaterin bei der Handwerkskammer in Lüneburg. Bei ihr hatte Alexandra Afonso Antao ihren Antrag auf Förderung durch das Programm IWiN eingereicht. Ein absoluter Glücksfall, sagt die angehende Heilpraktikerin: "Ich hätte mir nie erträumt, dass im bürokratischen Deutschland ein Antrag so schnell und problemlos bearbeitet wird. Einfach hingehen, Antrag ausfüllen, Stempel drauf."

Nie erträumt hätte sie sich auch, dass ihre zweieinhalbjährige Ausbildung bei einer renommierten Lüneburger Heilpraktikerschule zu 70 Prozent gefördert wird. "Ich wäre fast vom Stuhl gefallen, als Frau Mundstock mich später anrief und mir das erzählte." Konkret heißt das hier: Statt knapp 4500 Euro muss die Reppenstedterin nur etwa 1500 Euro für die Seminare bezahlen.

Wie hoch die Förderung ist, hängt von den Kosten der Ausbildung ab. "Wenn eine Unterrichtsstunde bis zu 20 Euro kostet, wird sie zu 70 Prozent gefördert. Maximal gibt es 14 Euro pro Stunde", erklärt Weiterbildungsberaterin Mundstock. Ist die Weiterbildungsmaßnahme sehr teuer, fällt die Förderung im Verhältnis also niedriger aus. Ein Beispiel: Eine Unterrichtstunde kostet 28 Euro. 14 Euro gibt es aus dem IWiN-Topf - die Weiterbildungsmaßnahme wird damit insgesamt zu 50 Prozent gefördert.

Für die Reppenstedterin Afonso Antao war die Förderzusage "ein Tritt in den Hintern", wie sie selbst sagt: "Ich habe mich sofort für den Kurs angemeldet." Dies ist die richtige Reihenfolge, betont Angela Mundstock von der Handwerkskammer: "Man sollte sich erst verbindlich zu einer Weiterbildungsmaßnahme anmelden, wenn die Förderung bewilligt wurde."

Denn nicht jeder Antrag geht durch. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK), neben der Handwerkskammer der zweite regionale Ansprechpartner in Sachen IWiN, wurden laut Dirk Schulze von der Abteilung Aus- und Weiterbildung im vergangenen Jahr 810 Anträge von rund 450 Betrieben eingereicht, von denen 730 bewilligt wurden. Die meisten der geförderten Seminare fanden im Bereich Gesundheitswesen/Pflege/Medizin statt; auf den Plätzen zwei und drei folgen betriebliche Ausbildungen sowie Führungskräfte-Trainings.

Vier Monate ist es nun her, dass Alexandra Afonso Antao ihre Heilpraktiker-Ausbildung begonnen hat. Jeden Dienstag hat sie vormittags ein Seminar, das sie zuhause nachbereiten muss. Ein bis zwei Stunden muss sie täglich pauken, schätzt die Gesangslehrerin. Und obwohl sie die Zusatzbelastung deutlich spürt, ist sie nach wie vor von ihrem neuen Leben begeistert. "Ich sehe das so: Die Lernzeit ist die Zeit, in der ich etwas für mich tue. Es muss ja nicht immer Shoppen sein!"

Einkaufen war sie letztens trotzdem: Der Spitzboden ihres Hauses in Reppenstedt soll Unterrichts- und Behandlungsraum werden. Ein neuer Sessel für die Ecke, dazu ein kleines Beistelltischchen - wenn schon neues Leben, dann muss es auch richtig gemacht werden, findet Alexandra Afonso Antao.

Wer sich für eine Förderung durch IWiN interessiert, kann sich an die IHK (Telefon 04131/74 20) oder die Handwerkskammer (Telefon 04131/71 20) wenden. "Wer sich weiterbilden möchte, sollte das jetzt in Angriff nehmen", so Angela Mundstock - im Juni 2013 läuft das Programm aus. Bis dahin stellen der Europäische Sozialfonds und das Land Niedersachsen noch reichlich Mittel zur Verfügung. "Im Topf ist noch einiges drin", so Mundstock. Gefördert werden Weiterbildungsmaßnahmen, die einen Umfang von mindestens 30 Stunden haben.

Teil 4 unserer Serie beschäftigt sich mit speziellen Weiterbildungsangeboten für Frauen in Lüneburg.