Zum Hansetag haben Lüneburgerinnen historische Gewänder selbst geschneidert und die Bekleidung in der Volkshochschule vorgeführt.

Lüneburg. Die alte Salzstadt rüstet sich für den Hansetag. Im kommenden Juni wird die Stadt ein Wochenende lang Gastgeber für Besucher aus ganz Europa sein, wenn mit dem Hansetag an den mittelalterlichen Handelsbund erinnert wird. Die Teilnehmerinnen des Volkshochschulkurses zum Thema historische Bekleidung werden dann mit ihren selbst geschneiderten Gewändern stilecht den Besuchern zeigen, wie man sich im 15. Jahrhundert tatsächlich auf den Straßen und Plätzen der Salzstadt präsentierte.

Unter Anleitung von Rotraud Kahle und Schneidermeisterin Susanne Monika Kebbel haben die Kursteilnehmer in monatelanger Arbeit originalgetreue Bekleidung des späten 15. Jahrhunderts geschneidert. Am Freitagabend stellten sie die gelungenen Ergebnisse ihrer Bemühungen im Foyer der Volkshochschule (VHS) in der Haagestraße vor.

Fröhliche Farben liebte man im Lüneburg des späten 15. Jahrhunderts, doch viel Spielraum gab es für die modebewusste Dame dieser Epoche bei der Wahl ihrer Kleider und des Zubehörs nicht unbedingt. Strenge Kleiderordnungen regelten, was außer Haus für Bürger, Dienstboten und Adelige an Schmuck und Gewändern erlaubt und was verboten war.

"Mode ist auch immer ein Spiegel der sozialen und politischen Situation der jeweiligen Epoche", sagte VHS-Vorstandsmitglied Michael Wiese zur Begrüßung der Zuschauer. Für das Spätmittelalter galt dabei ein sehr strenges Regiment. "Der Hof in Burgund war tonangebend für die Mode der Zeit", erklärte Rotraud Kahle, die in akribischer Feinarbeit die Vorlagen und Schnittmuster für die Gewänder erarbeitete. Ihre Vorbilder fand sie auf den Tafeln des Hauptaltars der Sankt Johanniskirche, auf denen der Hamburger Maler Hinrik Funhof 1482 bis 1484 Szenen aus der Legende der heiligen Cäcilia verewigte.

Zu sehen ist dort das ganze Repertoire der damaligen Standesgesellschaft: Dienerinnen und Adelsfrauen, geistliche und einfache Knechte tummeln sich in den farbenprächtigen Szenen, die Funhof entworfen hat. "Bei der Kleidung der einfachen, arbeitenden Bevölkerung verzichtete man schon aus praktischen Gründen auf Luxus", erklärte Rotraud Kahle. Üppige Tütenärmel, reichhaltiger Schmuck oder imposante Kopfbedeckungen, wie der sogenannte Hennin - eine spitz zulaufende, hohe Kopfbedeckung, zu der eine hoch ausrasierte Stirn bei den Damen in Mode war - war dem Adel vorbehalten, der sich nicht mit Arbeit die Finger beschmutzen musste.

"Wer gegen die Kleiderordnung verstieß, für den wurde eine Strafsteuer fällig", sagte Rotraud Kahle. Auch das eigene Haar offen zu tragen, war ein Privileg - es kennzeichnete den Familienstand junger, unverheirateter Frauen und Mädchen.

Von der Bürgerin bis zur Magd wurde anstatt der heutzutage üblichen Handtasche der Stoffbeutel am Gürtel mitgeführt. Auch Dekolletee zeigte die ordentliche Bürgersfrau aus Schicklichkeitsgründen nicht: Der sogenannten Goller, ein großer, oftmals vom Kleid farbig abgesetzter Kragen verbarg den Ausschnitt des Gewandes.

Die Kinder waren gekleidet wie die Erwachsenen. "In der Spätgotik bis zum Biedermeier gab es keine spezielle Kinderkleidung", erklärte Rotraud Kahle ihren Zuhörern. Die Gugel, eine Kapuze mit mehr oder minder langem "Schwänzchen", der sogenannten Sendelbinde, schützte Große und Kleine vor Regen und Wind. An den Füßen trug man den Entenschuh, Nachfolger des deutlich spitzer zulaufenden Schnabelschuhs. Ungemütlich wurde es bei Kälte oder Dauerregen aber in jedem Fall, denn Gummisohlen waren dem Mittelalter noch fremd. Leder und Stoff weichten bei schlechtem Wetter schnell durch, also behalf man sich mit sogenannten "Trippen": Das waren Holzstelzen, nicht sonderlich flexibel und vermutlich für so manchen müden Fuß vor 600 Jahren mitverantwortlich.

Auch eine Hilfe gegen den allgegenwärtigen Alltagsschmutz waren die Borten und Einfassungen, mit denen man die Röcke am unteren Ende versah. "So konnten die Einfassungen im Fall von Beschädigungen und Verschmutzungen leicht ausgewechselt werden", erklärte Rotraud Kahle. Die Männer hatten es ohnehin etwas leichter, denn ihre Beinlinge - aus Stoff, Leder oder Seide wurden mit Bändern am Wams befestigt und waren etwas pflegleichter als die langen Röcke der Frauen.

Kräftiger Applaus beendete die Modenschau in der VHS an diesem Abend. Wer Interesse hat, sich selbst oder Familienmitglieder originalgetreu zum Hansetag auszustatten, kann sich noch für einen Nähkurs bei der VHS anmelden. Nähere Informationen zu dem Kurs gibt es telefonisch unter der Nummer: 04131/156 60.