In der Serie “Mein Wirt“ stellen wir Gastronomen vor, die alles selbst machen: Einkauf, Küche, Service. Heute: Guido Rose aus Lüneburg.

Lüneburg. Guido Rose ist in seinem Wohnzimmer nie allein. Es liegt in der Rackerstraße Nummer 7, Erdgeschoss, hinter weißen Sprossenfenstern. Dort betreibt der 44-Jährige die kleinste Café-Bar Lüneburgs und das am persönlichsten eingerichtete Restaurant der Stadt.

Er selbst als zum Clown verkleideter Steppke strahlt den Gästen von der Wand entgegen, die braunen Augen seiner Mutter schauen aus einem Leuchtkasten in den kleinen Raum, der gerade eine Handvoll Tische fasst. Aufgenommen von seinem Vater, Fotograf, wirken beide Bilder wie in Szene gesetzten Modelporträts und nicht wie das, was sie sind: Fotos aus dem Familienalbum.

Aufgewachsen im Sauerland, hat Guido Rose mit 18 Jahren angefangen, in der Gastronomie zu arbeiten. Nach einem großen Krach mit seinen Eltern zog der Gymnasiast zu Hause aus, ging weit weg nach Hamburg. Brach die Schule ab, jobbte beim Theater und als Tellerwäscher. Nicht viel später versöhnten sich Mutter, Vater und Sohn, und Guido machte in Hamburg sein Abitur.

Mit 18 Jahren hat Guido Rose also angefangen, mit Gastronomie Geld zu verdienen. Beschäftigt hat er sich aber schon viel länger damit. Als kleiner Junge spielte er am liebsten "Restaurant", deckte die Tische ein, kochte und backte mit der Oma. Die Mutter studierte Medizin, fürs Kochen hatte sie keine Zeit. Was der Schlachter lieferte, mochte er nicht. "Da kamen Not und Lust zusammen, und ich habe selbst angefangen zu kochen", erzählt er.

Viele Jahre hat der junge Mann gesucht. Nach dem, was ihn glücklich macht, und nach dem, womit er seine Tage verbringen und sein Geld verdienen will. Die Schauspielschule hat ihn abgelehnt, eine Lehre zum Damenschneider hat er angefangen, eine Weile Germanistik und Philosophie studiert. Doch so wirklich seins war all das nicht.

"Mit Mitte 20 ist mir dann klar geworden: Die einzige Konstante war immer die Gastronomie." Und die Restaurants, in denen er gearbeitet hat, waren seine Wohnzimmer. Er entschied sich für eine Lehre zum Hotelfachmann in Bremen. Danach verschiedene Stationen, auch das einstige "Mövenpick" in Lüneburg, das "Atlantic" in Hamburg.

"Ich will keine Karriere machen in der Gastronomie oder im Hotelgewerbe, und ich will nicht reich werden", sagt Guido Rose - und wusste schon damals: Etwas Eigenes sollte es sein.

Doch die Liebe kam dazwischen. Zwei Jahre arbeitete er von montags bis freitags in dem Einrichtungsgeschäft seines damaligen Lebenspartners, sonnabends und sonntags in seinem Stammlokal "Mess" im Karolinenviertel. Dekorierte und servierte die ganze Woche. Dann krachte es zwischen den Männern, und er verließ Partner und Geschäft. Guido Rose war Anfang 30, als er "all meinen Mut zusammennahm", seine Familie um Hilfe bat und gemeinsam mit einem Freund, Lorenzo Deidda, ein kleines Bistro im Karolinenviertel übernahm. Dort erfüllte sich sein Lebenstraum zum ersten Mal: kochen, servieren, dekorieren und im Hinterhof gärtnern - alles zusammen, im eigenen Wohnzimmer.

Angefangen mit einem Vier-Flammen-Gasherd und ohne Spülmaschine (!), hätte er aus dem Bistro in Hamburg am liebsten ein kleines Hotel gemacht - sein zweiter Lebenstraum für später. Doch der Vermieter, die SAGA, kündigte ihm, nach zwei Jahren Glück saßen Guido und Lorenzo vor der großen Leere des Nichts. Acht Jahre ist das her, "das war bitter, ich musste da weg", sagt er. Das Interieur verkauften die beiden auf dem Flohmarkt, flohen erst mal nach Sardinien, Lorenzos Heimat.

Im Sommer 2010 - Guido war zwischendurch zurück ins Sauerland gegangen - treffen Glück und Lust wieder zusammen. Lorenzo, der Liebe wegen mittlerweile nach Lüneburg gezogen, entdeckte die frei werdende portugiesische Bar in der Rackerstraße, und Guido entschied sich, noch einmal zu investieren. Fürs Arbeitsamt schrieb er einen Businessplan, die Familie unterstützte ihn erneut. Und nach großer Renovierung machte er am 7. Juli zum ersten Mal die Tür zu seinem Wohnzimmer auf, in dem er seither kaum eine Stunde allein verbracht hat.

Lüneburg sei sein Zuhause geworden, sagt der 44-Jährige. "Wenn kein Unglück passiert, bin ich und bleibe ich hier." Die Nähe zum Theater schließt einen Kreis seines Lebens, die vielen Blumentöpfe vor dem Haus einen zweiten. Er genießt die Nachbarschaft, den persönlicheren Umgang mit den Behörden als im großen Hamburg, die Lebendigkeit der kleinen Stadt. Gern würde er noch mehr in Richtung Straßenfeste organisieren, doch dafür muss erst einmal der Frühling kommen.

Wenn er montags geschlossen hat, fährt Rose zum italienischen Großhandel nach Hamburg, kümmert sich um Buchhaltung, putzt. Donnerstags und freitags hat er bis abends geöffnet, alle anderen Tage können Gesellschaften sein Wohnzimmer mieten. Dann kocht er tagsüber und kellnert abends - Kollege Enzo (ehemals "DaVinci") steht dann in seiner Küche. Und sein Arbeitstag hat 14 bis 16 Stunden.

Lorenzo hilft weiter mit, dazu Leni, eine in Lüneburg hängen gebliebene Austauschstudentin aus South Carolina. Für ein privates Leben über dem Restaurant - dort hat er keine eigene Küche, seine ist die im Erdgeschoss, wo dienstags bis sonnabends die Gäste sitzen - bleibt trotzdem kaum Zeit, für Hobbys oder Partnerschaft erst recht nicht. "Ich bin froh, wenn ich sonntags mal den ganzen Tag im Bett liegen kann." Und doch ist es einer seiner Träume, die sich Guido Rose in seinem Wohnzimmer an der Rackerstraße erfüllt. Das er höchstens verlassen würde, um ein kleines Hotel zu eröffnen.

Kennen Sie jemanden, der mit derselben Leidenschaft wie Guido Rose hinter dem Tresen steht? Erzählen Sie uns von Ihrem Lieblingswirt. Rufen Sie an unter der Telefonnummer: 04131/789 77 10 oder schreiben Sie eine E-Mail an lr@abendblatt.de .

Entdecken Sie Top-Adressen in Ihrer Umgebung: Cafés in Lüneburg