Patienten müssen Einschränkungen in Kauf nehmen, falls es ab dem 26. Januar zum Ausstand kommt. Notfallversorgung wird sichergestellt.

Lüneburg. Patienten, die vergeblich auf die Visite warten, viele geschlossene Stationen in den Krankenhäusern und Universitätskliniken, nur die Versorgung für Notfälle ist gewährleistet. Statt eines Stethoskops haben die meisten Ärzte Protestschilder in der Hand und demonstrieren. Sechs Jahre liegt der große Medizinerstreik zurück. Damals legten in ganz Deutschland zeitweise mehr als 10 000 Ärzte ihre Arbeit nieder.

Nun droht ein neuer Streik. Knapp 93 Prozent der befragten Ärzte haben sich nach Angaben der Gewerkschaft Marburger Bund dafür ausgesprochen. Ab 26. Januar könnten 650 kommunale Krankenhäuser in Deutschland von den Auswirkungen des Ausstandes betroffen sein. Auch in Lüneburg könnte der Tarifstreit für die Versorgung der Patienten Folgen haben - sowohl das Klinikum und seine Tochterfirmen als auch die Psychiatrische Klinik befinden sich in kommunaler Hand.

Zuletzt im Juni 2010 hatten die Ärzte der beiden Lüneburger Häuser im Zusammenhang mit den Tarifauseinandersetzungen die Arbeit niedergelegt. Nachdem Ende August 2011 der Tarifvertrag zwischen den Ärzten und den Vertretern der Kommunen nach 15 Monaten ausgelaufen war, endeten die ersten Verhandlungsrunden ergebnislos.

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Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte zuletzt ein Angebot vorgelegt, das eine Anhebung der Ärztegehälter um 1,48 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 250 Euro vorsieht. Das ist den Medizinern zu wenig. Der Marburger Bund fordert sechs Prozent mehr Lohn und eine neue Regelung der Bereitschaftsdienste. Betroffenen von den Neuregelungen des Tarifvertrages sind bundesweit 45 000 Ärzte, in Lüneburg 200 Mediziner im Klinikum und 70 Ärzte in der Psychiatrischen Klinik.

"Die ursprünglich geforderten Gehaltssteigerungen würden für das Klinikum Lüneburg eine jährliche Mehrbelastung von 1,5 Millionen Euro bedeuten. Eine solche Steigerung wäre nicht nur nicht zu finanzieren, es würden auch nur etwa 20 Prozent aller Mitarbeiter unseres Hauses davon profitieren. Gehaltssteigerungen in dieser Größenordnung würden die meisten Kliniken in Deutschland in die roten Zahlen treiben", sagt Dr. Michael Moormann, Geschäftsführer des Klinikums.

Das sehen die Ärzte anders. "Die Arbeitsplätze im Krankenhaus sind so nicht attraktiv. Und vor allem in Zeiten von Fachkräfte- und Ärztemangel sollten die Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer mehr wertschätzen", sagt Sven De Noni, Sprecher des Landesverbandes der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die in Niedersachsen 2800 Mediziner vertritt. Das derzeitige Angebot der Arbeitgeber sei nicht akzeptabel, die Gehaltssteigerung reiche nicht einmal aus, um die Inflationsrate auszugleichen.

Neben Fragen zur Gestaltung der Gehälter gehe es in den Verhandlungen auch um andere Aspekte. De Noni spricht sich für eine neue Regelung der Bereitschaftsdienste aus. "Die Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern ist sehr hoch, wenn man nach acht Stunden Dienst häufig noch Bereitschaftsdienst leisten muss." Die Zahl dieser Dienste müsse reduziert werden.

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"Vier Bereitschaftsdienste pro Monat sind näher an der Realität als die jetzige Lösung. Auch für die Patienten ist es besser, nicht von einem übermüdeten Arzt behandelt zu werden", sagt Sven De Noni.

Einigen sich beide Seiten vor dem 26. Januar, kann ein Streik abgewendet werden. "Wir sind bereit", heißt es dazu von VKA-Geschäftsführer Manfred Hoffmann. Auch der Marburger Bund signalisiert Bereitschaft zur Zusammenarbeit. "Wir erwarten ein zustimmungsfähiges Angebot", sagt Sprecher Hans-Jörg Freese. Dennoch lud der niedersächsische Landesverband der Ärztegewerkschaft gestern seine Bezirksvorsitzende nach Hannover, um die weitere Strategie und mögliche Aktionen im Streikfall abzusprechen.

Besonders zu leiden unter dem Ausstand der Mediziner hätten die Patienten. Sie müssten auf jeden Fall mit Einschränkungen rechnen.

"Falls das Klinikum Lüneburg bestreikt werden sollte, werden wir gemeinsam mit den Vertretern des Marburger Bundes in unserem Haus einen Plan erarbeiten, der die Notfallversorgung der Patienten sicherstellt. Geplante Operationen müssen gegebenenfalls verschoben werden", sagt Michael Moormann.

Ähnlich schätzt Rolf Sauer, Geschäftsführer der Psychiatrischen Klinik Lüneburg die Lage ein. "Ein Streik von Ärztinnen und Ärzten unseres Hauses hätte zur Folge, dass sich im betroffenen Zeitraum die Versorgung der Patienten verschlechtert."