Die Salzlager in Lüneburg sind voll, zusätzliche Saisonkräfte sind angelernt - jetzt fehlt nur noch der Schnee. Winter schont Lüneburg.

Lüneburg. Mit eisigen Temperaturen und ungeheuren Schneemassen brach der Winter im vergangenen Jahr über die Region herein und beeinträchtigte wochenlang den Verkehr auf Straßen und Schienen. In vielen kleinen Straßen in Wohngebieten türmte sich der Schnee an und auf den Gehwegen meterhoch, Streufahrzeuge und Schneeschieber waren im Dauereinsatz und um dicke Eisplacken von den Bürgersteigen zu brechen, musste tonneschweres Spezialgerät ran.

Und in diesem Jahr? Keine Spur von Winter, sondern milde Plusgrade im Januar. Dabei ist Lüneburg so gut vorbereitet auf Schnee und Eis: 1400 Tonnen Auftausalz liegen in den Depots der Stadt bereit. Das ist fast doppelt so viel wie vor zwei Jahren. Auch personell hat die Abwasser, Grün & Lüneburger Service GmbH (AGL), die für den Winterdienst zuständig ist, aufgestockt. Die Stadt hat erstmals für die Dauer von drei Monaten zusätzliche Saisonkräfte angeworben. "Eigentlich haben wir 40 Leute gesucht. Aber die Resonanz war nicht so groß. Engagiert haben wir schließlich elf Bewerber", sagt Ralf Dibowski, Leiter des Betriebshofs der AGL. Nicht jeder sei geeignet für den anspruchsvollen Job. Technisches Verständnis, körperliche Fitness und die Bereitschaft mitten in der Nacht innerhalb weniger Minuten am Einsatzort zu sein, seien Grundvoraussetzungen für die Saisonkräfte.

+++ Doppelte Menge an Streusalz für Winterdienst eingeplant +++

Georg von Hodenberg kennt das schon. In den vergangenen zwei Jahren hat der Diplom-Braumeister im Winterdienstteam eines großen Elektronikmarktes in Lüneburg gearbeitet. Jetzt hat er sich als Saisonkraft zur Unterstützung des Winterdienstes angemeldet. "Das ist ein verantwortungsvoller und wichtiger Job. Und die Leute warten darauf", sagt der Lüneburger, dem Einsätze vor dem Morgengrauen nichts ausmachen. Früh aufstehen musste er in diesem Winter erst einmal - und dass auch nur zu Übungszwecken. "Die Männer werden umfassend eingewiesen. Sowohl im theoretischen, im rechtlichen und im technischen Bereich. Dann erhält jeder eine klare Aufgabe", erläutert Ralf Dibowski. Das Beladen, Bedienen und Fahren der kleinen Räummaschinen wird auf dem Betriebhof geübt. Auf einem Parcours müssen die Fahrer auf Passanten achten, Bordsteinkanten meistern und unfallfrei an Fahrradständern und parkenden Autos vorbeikommen. Drei Probefahrten im Stadtgebiet, eine davon morgens ums sechs Uhr, sorgen dafür, dass alle die Arbeitsbedingungen in der Dunkelheit kennen lernen.

Seit Oktober sind die 90 Beschäftigten der AGL dabei, Streugutboxen im Stadtgebiet zu füllen, die schweren Räumfahrzeuge fit zu machen und Routen einzuteilen. Ist Frost angekündigt, muss der Einsatzleiter gegen 2 Uhr nachts im Wechsel mit zwei Kollegen kontrollieren, ob es auf Lüneburgs Straßen glatt ist. Wenn nötig, rückt die Flotte pünktlich um 4 Uhr zum Streuen aus. Dann muss es schnell gehen, denn es bleibt nur bis 7 Uhr Zeit, um die wichtigsten Straßen für den Berufsverkehr zu räumen. In diesem Winter waren bisher nur eine Handvoll Einsätze notwendig. "Vor allem Reifglätte sorgte für Rutschgefahr auf den Straßen", sagt Ralf Dibowski.

Sollte es, allen aktuellen Prognosen der Meteorologen zum Trotz, heute in Lüneburg massiv schneien, wüsste auch Michael Meins genau, was zu tun ist. Mit seinem Räumfahrzeug, das nach eigener Beschreibung "ein kleiner Traktor mit Schaufel vorn und Sandkasten hinten" ist, wäre er für den Fußgängerbereich der Innenstadt zuständig. Bis 7 Uhr morgens müsste er in vielen Straßen der Innenstadt Gehwege von Schnee und Eis befreit und mit Sand gestreut haben. Winterdienst kennt der 31-Jährige bisher nur aus dem Privatleben. Interessant findet es den Job trotzdem. "Ich musste ein Winterloch überbrücken", sagt der 31-Jährige, der in der Fernseh- und Filmbranche arbeitet und sich auf den Aufruf der Stadt in der Zeitung gemeldet hat.

+++ Hamburgs Winterdienst verdoppelt Streusalz-Vorräte +++

Weil der Winter Lüneburg bislang verschont, wurden bisher nur 68 Tonnen Salz verbraucht. Zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres war es bereits mehr als das Zehnfache der Menge - 827 Tonnen. In den Rekordwintern der vergangenen Jahre schossen die Kosten in astronomische Höhen. 220 000 Euro seien normalerweise für den Winterdienst eingeplant. In den vergangenen beiden Jahren wurde diese Summe jeweils um ein Mehrfaches übertroffen.

Ginge es nach Ralf Dibowski, könnte es so weiter gehen mit den milden Temperaturen. "Unsere Aufgabe ist es, in allen Jahreszeiten dafür zu sorgen, dass der Verkehr auf den Straßen sicher ist. Das zu gewährleisten ist derzeit einfacher für uns, weil keine Gefahren von Schnee und Eis drohen." Nicht nur Autofahrer und Passanten werden bislang vom Wetter geschont. Auch die Salzvorräte können im kommenden Winter noch nützlich sein. Zwar sorge die Luftfeuchtigkeit in der Halle für Verkrustungen an der Oberfläche des haushohen Salzberges, aber mit Hilfe von Maschinen gelangen die Mitarbeiter an das Streugut darunter, erklärt der Leiter des Betriebshofes.

Für die Winterdienstler ist Mitte Januar Halbzeit. Ganz abschreiben will Ralf Dibowski die kalte Jahreszeit noch nicht. "Bis Ende März rechnen wir üblicherweise mit Schnee." Michael Meins und sein Kollege Georg von Hodenberg hoffen noch ihren großen Einsatz. "Sollte der Winter doch noch kommen, besteht die Möglichkeit, dass die Zeitverträge um einen weiteren Monat verlängert werden", sagt Georg von Hodenberg. Dass seine Saisonkräfte momentan bezahlt werden, obwohl sie nur Übungsrunden drehen, findet Ralf Dibowski in Ordnung. "Wir machen die Vorsorge und die Männer sind meine Rückversicherung. Die bezahlt man dafür, dass sie im Ernstfall einspringen."