Geändertes Kaufverhalten und die Konkurrenz der Supermärkte führen zu einem Umdenken in vielen Betrieben.

Lüneburg. Brötchen noch um 17 Uhr kaufen und zum Abendbrot essen - was für die Generation der heutigen Senioren undenkbar war, ist heute normal. Backshops in Supermärkten machen es möglich. Doch kleine Handwerksbetriebe backen immer noch ausschließlich nachts, verkauft wird nur, solange es Ware gibt. Bei den anderen gehen die Reste zur Lüneburger Tafel - und in Biogasanlagen.

"Das Kundenverhalten hat sich stark verändert", sagt Frank Heyden, Geschäftsführer bei Heidbäcker in Wittorf. "Zwischen 17 und 19 Uhr gibt es einen starken Verkauf an Broten. Daher ist das Angebot zu dieser Zeit noch groß, wird dann aber sehr schnell abverkauft", sagt er. "Wir achten sehr darauf, dass nicht zu viel übrig bleibt. Die Retouren sind bei uns zum Glück klein und überschaubar." Was dennoch zurückgeht, wird laut Heyden den Tafeln gespendet, verwertet und an Tiere verfüttert.

"Der Kunde verlangt auch noch um 17 Uhr eine gewisse Auswahl", sagt Bäckermeister Siegfried Völsch, der den Betrieb in der Goseburg mit Filialen in der Lüneburger Innenstadt von seinem Vater übernommen hat. "In der Rosenstraße backen wir stündlich, dadurch haben wir am späten Nachmittag noch zehn Sorten Brötchen. Der Teig kommt aus dem Backhaus in der Goseburg und wird in der Filiale nach Bedarf gebacken. Brot dagegen lassen wir auslaufen, es wird nur einmal am Tag gebacken." Völsch sagt außerdem, auch wenn es auf den ersten Blick unwahrscheinlich klingt: "Dank des Backofens in der Rosenstraße bleibt weniger übrig, und wir schmeißen weniger weg. Weil wir am Bedarf orientiert backen können."

Mit Teiglingen bis zum Ende des Tages frische Brötchen backen kann auch Reinhard Kruse, Inhaber der in Barnstedt ansässigen Bäckerei. "Das gilt vorwiegend für Brötchen." Insgesamt habe die Vielfalt abgenommen, hat der Bäckermeister in den vergangenen Jahren beobachtet, die Menge aber haben zugenommen.

Warum die Regale der Bäcker heute bis abends voll sind, erklärt Kruse auch so: "Vor 15 Jahren waren die Regale und Theken größer und breiter. Daher sah es früher am Tag ausverkauft aus. Heute legen die Angestellten nach, und die Regale sind länger voll." Gegen Reste kann Kruse nach eigenen Angaben nichts machen. "Es muss Retouren geben, sonst kommt der Kunde nicht wieder. Das macht man anders als vor 15 Jahren." Rund zehn Prozent der produzierten Menge des Lecker Bäckers gehe zurück, sagt Reinhard Kruse. Zehn bis 20 Prozent davon bekommt die Lüneburger Tafel. Aus dem Rest wird Strom erzeugt: Er geht in eine Biogasanlage.

Ein Grund für gefüllte Bleche bis zum Abend sind allerdings auch die Auflagen großer Supermarktketten. "Es gibt entsprechende Vorschriften im Mietvertrag", bestätigt Reinhard Kruse. Kontrolliert werde das aber nicht. Von "Knebelverträgen" spricht dagegen Karl-Heinz Wohlgemuth, Obermeister der Bäckerinnung bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Dem Abendblatt sagt er: "Ich habe daran kein Interesse. Dass wir durch die heutige Technik jederzeit frische Brötchen backen können, ist eine tolle Sache, zum Beispiel für vorbestelltes Brot für eine Party. Ich muss aber abends nicht noch 30 Sorten Brot und Brötchen haben. Das Brot vom Vortag verkaufe ich zum halben Preis." Als in Nenndorf gegenüber seinem Hauptgeschäft ein Edeka eröffnet hat, habe er dessen Angebot für ein Mietverhältnis im Supermarkt abgelehnt. "Ich hätte meinen eigenen Laden schließen sollen. Das würde ich niemals machen."

Meike Bergmann, Geschäftsführerin dreier Edeka-Märkte in Lüneburg und Adendorf, sagt dazu: "Das Kundenverhalten hat sich verändert. Viele gehen nach der Arbeit einkaufen. Eigentlich sollten unsere Untermieter daher alles da haben, bis wir schließen. Wichtiger ist aber auch, dass es frisch ist, und dann ist es auch logisch, dass es nicht alles bis zum Schluss gibt."

Edeka selbst backt den ganzen Tag über Tiefkühl-Rohlinge auf. "Bei uns gibt es auch noch um kurz vor neun ein frisches Brötchen", sagt Meike Bergmann. "Wir versuchen natürlich, keine Mengen übrig zu behalten."

Nachbacken gibt es in der kleinen Vollkornbäckerei Scharnebeck nicht. "Abends bestellen die Läden, die wir beliefern. Und was wir selbst im Laden haben, muss reichen", sagt die Angestellte Kerstin Kerk. Gebacken wird ausschließlich nachts, das gilt für Brot und Brötchen gleichermaßen. "Beginn ist gegen 19 oder 20 Uhr, und dann ist es wie ein regulärer Arbeitstag: rund acht Stunden. Die Fahrer starten gegen 3 oder 4 Uhr zu den Läden zwischen Lüchow und Hamburg." Für Roggenbrote, sagt Kerstin Kerk, wäre es sogar gut, einen Tag zu liegen. "Es wird besser und lässt sich leichter schneiden."

Brot, Brötchen und Kuchen solange der Vorrat reicht gibt es auch in den Filialen des Godehus'. In der eigenen Bio-Bäckerei in Beverbeck bei Bienenbüttel beginnt die Arbeit nachts zwischen 1 und 2 Uhr, zwischen 9 und 10 Uhr haben die Bäcker Feierabend. "Wir wollten bereits in den Tagbetrieb wechseln, aber die Bäcker wollten es nicht", sagt Geschäftsführer Jörn Winkelmann.

Die Bio-Bäckerei liefert nur einmal am Tag aus. "Was übrig bleibt, wird am nächsten Tag günstiger verkauft", sagt Winkelmann. Eine zweite Lieferung würde sich nicht lohnen. Etwa zwei Stunden vor Ladenschluss sei nur noch die Hälfte der Sorten da. "Das ist aber auch eine Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren und eben ein anderes als das gewünschte Brot zu nehmen."