Die Stadt kontrolliert wöchentlich die wichtigsten Wege. Die vollzogenen Reparaturen halten aber nur kurz.

Lüneburg. Das Loch bei Laternenmast 41 kennt Gabriele Kloss schon. "Das habe ich erst letzte Woche aufgeschrieben. Heute ist es schon wieder da." Tausende Autoreifen täglich reiben die Splitt-Bitumen-Masse aus dem Asphalt, kaum dass sie hineingefüllt wurde. Keine einzige Straßenreparatur ist zurzeit von Dauer. Die tiefsten Krater werden trotzdem geflickt. Gemeldet werden sie von Gabriele Kloss und ihren zwei Kollegen aus dem Bereich Straßen- und Ingenieurbau der Stadtverwaltung.

Zügigen Schritts läuft Gabriele Kloss die Willy-Brandt-Straße Richtung Universität hinab. Rund um Bülows Kamp und Stephanusplatz war die 45-Jährige an diesem Morgen schon, hat die ersten Kilometer bereits hinter sich. Die Wangen sind rosig. Noch bis zum Häcklinger Kreisel an der Ostumgehung wird sie heute marschieren. Um sieben Uhr beginnt ihr Dienst, gegen 13 Uhr hat sie Feierabend - wegen Teilzeit.

Auf 20, 30 Kilometer pro Tag kommen ihre Vollzeit-Kollegen. Die allermeisten Strecken kontrollieren die Straßenbegeher zu Fuß. Der Plan dafür ist strikt und wird unter allen Umständen eingehalten. Andernfalls sähe die Stadt vor Gericht alt aus. Etwa, wenn jemand über einen hoch stehenden Pflasterstein stolpert, sich verletzt und dann klagt. Zweimal war das vor vielen Jahren passiert. Seitdem beschäftigt die Verwaltung gleich drei Straßenbegeher statt vormals einem.

"Wir sind für den verkehrssicheren Zustand der Straßen verantwortlich", erklärt der Chef von Gabriele Kloss, Hartwig Lübbecke (59). Der Bereichsleiter Straßen- und Ingenieurbau sitzt in seinem Büro an der Neuen Sülze 32, während sein Kontroll-Trio auf Lüneburgs Fußwegen unterwegs ist. Selbst wenn Straßen und Wege mit Schnee und Eis dicht sind, arbeiten die Begeher ihre Strecke trotzdem ab. Dann notieren sie: "Nicht kontrollierbar wegen Schnee und Eis". Das ist wichtig für mögliche Gerichtsprozesse.

"Wir müssen eine Organisationsstruktur nachweisen und durchziehen", erklärt Lübbecke. Schlurt die Stadt, gewinnt der Kläger. Aber das ist in den vergangenen Jahren so gut wie nie passiert: "Wir gewinnen in der Regel", sagt Lübbeckes Mitarbeiterin Sandra Burghard (39).

Dank der klaren Struktur, an die sich die Abteilung penibel hält. Sie hängt an Lübbeckes Pinnwand im Büro in Form eines großen Stadtplans mit vielen farbigen Markierungen - rosa die Fußgängerzone, orange die Hauptverkehrsrouten. Sie werden wöchentlich abgelaufen. Straßen in Wohngebieten sind grün, das bedeutet alle drei Wochen.

Gabriele Kloss kennt die Löcher der Stadt mittlerweile fast alle. 300 Schadensmeldungen haben sie und ihre Kollegen seit Anfang des Jahres geschrieben. Von 0 bis 3 reicht die Prioritäten-Skala. 0 bedeutet Gefahr und sofortiges Handeln: Gabriele Kloss bleibt dann vor Ort, bis ein Trupp des Betriebshofs kommt und den Bereich sichert. Das kommt drei-, viermal im Jahr vor - beim Wasserrohrbruch oder wenn die ganze Straße absackt.

1 bedeutet hohes Risiko und Reparatur innerhalb von 48 Stunden. Das kann eine Gehwegplatte in der Fußgängerzone sein, die einen Zentimeter hoch steht, oder auch ein Loch in der Schießgrabenstraße, das zehn Zentimeter tief ist. Der Durchmesser spielt kaum eine Rolle - er vergrößert sich zurzeit stündlich.

Längst kommt der Betriebshof - mit dem Winterdienst ohnehin chronisch überlastet - bei den täglichen Reparaturmeldungen nicht mehr hinterher. Die Stadt hat daher eine Fremdfirma beauftragt. 200 000 Euro zusätzlich stehen dafür im Haushalt 2010.

Das Loch bei Laternenmast 41 ist an diesem Vormittag noch eine 2: rund fünf Zentimeter tief, Reparatur innerhalb einer bis vier Wochen. Doch in einer einzigen Stunde kann an der Willy-Brandt-Straße aus der 2 eine 1 werden, weiß Gabriele Kloss: "Wir kennen unsere Löcher genau. Wir können täglich beobachten, wie sie hochgestuft werden." Und wie gerade erst geflickte Krater schon wieder aufreißen. Seit elf Jahren geht die gelernte Gärtnerin Lüneburgs Straßen ab. So viele Schadensmeldungen wie jetzt hat sie noch nie in ihr Diktiergerät gesprochen: "Dieser Winter ist wirklich extrem."