Die Zahl der Grundsicherungs- Empfänger hat sich verdoppelt: 770 Menschen über 65 Jahre haben 2008 Sozialleistungen beantragt.

Lüneburg. In Lüneburg gibt es immer mehr alte und arbeitsunfähige Menschen, deren schmale Rente nicht zum Leben reicht. Knapp 770 Bewohner des Landkreises und der Stadt im Alter über 65 Jahre erhielten im vergangenen Jahr eine staatliche Grundsicherung. Damit hat sich die Zahl der Empfänger von 358 im Jahre 2004 mehr als verdoppelt. Das belegen Zahlen des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen in Hannover.

Die Sozialleistung dient seit 2003 zur Aufstockung von Renten, die unter den Regelsätzen der Sozialhilfe liegen. Für dieses Jahr erwartet Christian Ratzeburg, Leiter des Fachdienstes Sozialhilfe und Wohngeld des Landkreises Lüneburg, eine Zunahme um weitere fünf Prozent auf über 800. Doch bei weitem nicht jeder bedürftige Pensionär wagt sich zum Amt und beantragt Grundsicherung. Zum einen herrscht Unwissenheit, zum anderen hemmt die Scham.

Ina Kleinschmidt * gehört zu den Rentnerinnen, denen nicht viel zum Leben bleibt und die dennoch keine Grundsicherung erhalten. Die 80-jährige Lüneburgerin verfügt über ein monatliches Renteneinkommen von 664 Euro. "454 sind Witwenrente, 210 Euro meine eigene Rente." Seit einigen Monaten erhält sie zusätzlich 117 Euro Wohngeld. "Das hat mein Schwiegersohn für mich auf den Weg gebracht", erklärt sie glücklich. Sämtliche Ausgaben hat sie mit Bleistift auf einem kleinen Zettel notiert: 396 Euro Miete, 22 Euro Avacon, 12,50 für ein Sparkassenlos, 20 Euro Zeitungsabo, 25 Euro Telefon- und 18 Euro Fernsehgebühren. Hinzu kommen jährlich Mitgliedsbeiträge für Landsmannschaft, AWO und Marinekameradschaft Lüneburg. Im vergangenen Jahr zahlte sie 165 Euro für Heizung und Hausmeister nach.

"Unterm Strich bleiben monatlich 200 Euro. Die teile ich ein: 25 Euro für Essen, 20 Euro lege ich für Busfahrten zur Seite, dann gibt es Ausgaben für kleine Kosmetikartikel, Waschpulver, Toilettenpapier." Ina Kleinschmidt verzichtet auf viel, weil das Geld nicht reicht. Ausflüge in die Innenstadt sind selten. "Je mehr man in der Stadt ist, um so mehr will man kaufen."

Kleidung bekommt die ehemalige Küsterin geschenkt. Häufig laden sie Freundinnen zum Essen ein. Die vielen sozialen Kontakte, die eigenen Kinder und Enkelkinder bereichern und erleichtern ihr Leben. Ein wenig verdient sie hinzu, wenn sie für die Arbeiterwohlfahrt Mitgliedsbeiträge einsammelt. Statt Blumen und Pralinen erhält sie als Vorsitzende der Landsmannschaft Geldgeschenke zum Geburtstag und zu Weihnachten. Das Leben in Bescheidenheit hat ihr die Fröhlichkeit nicht nehmen können. "Ich bin für alles dankbar. Ein paar Jährchen leben - ja das möchte ich noch."

Einige hundert Meter Luftlinie entfernt pflegt Hartmut Schön * die öffentlichen Rathaustoiletten in der Waagestraße. Mit dem Trinkgeld, das Toilettenbenutzer ihm zurücklassen, bessert der an Osteoporose erkrankte Frührentner seine Kasse auf. 345 Euro bleiben ihm nach Abzug aller Verbindlichkeiten. Schön lacht über die sieben Euro, die der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin als Tagessatz für ausreichend hält: "Als Einzelperson kommt man nie und nimmer damit aus."

An guten Tagen bekommt der gelernte Tischler und Blechschlosser bis zu 20 Euro Trinkgeld. Dann gönnt er sich ein Bier. Schön würde gern, wie so viele Rentner, einen Mini-Job finden, um mehr zu verdienen: "Doch mehr als fünf Kilo darf ich nicht tragen."

Nach Angaben der Dienstleistungsgesellschaft Ver.di und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat die Zahl der Rentner mit Mini-Jobs im Landkreis Lüneburg um 22 Prozent zugenommen. Schon 2003 verdienten 1037 Rentner durch eine geringfügige Beschäftigung dazu, vier Jahre später gab es gut 220 Senioren-Arbeiter mehr. Diese Zahl dürfte weiter steigen. (* Namen geändert)