Atomkraftgegner aus Stadt und Landkreis nehmen an der Großdemo am Sonnabend vor dem Brandenburger Tor teil.

Lüneburg. Der Gorleben-Treck rollt seit dem vorigen Wochenende von Niedersachsen nach Berlin, vorbei an den Atommülllagern Schacht Konrad, Asse und Morsleben. Mittendrin in dem rund drei Kilometer langen Konvoi mit knapp 200 Fahrzeugen sind auch zahlreiche Atomkraftgegner aus Stadt und Landkreis Lüneburg. Einer von ihnen ist der Student Jan Becker aus Lüneburg.

Er gehört der Gruppe "ContrAtom" an, die den Streckenabschnitt von Lüneburg nach Braunschweig organisiert hatte. Der 27-Jährige fährt mit 15 Mitstreitern von ContrAtom im Treck mit, stilecht mit fünf Traktoren und einem VW Bus.

Obwohl Becker kein Bauer ist, besitzt er doch einen alten Trecker, einen Deutz, Baujahr 1964. Der Oldtimer ist die Zugmaschine eines Bauwagens, in dem der Student der Umweltwissenschaften lebt. Sein betagter Deutz muss sich jedoch nicht quälen und die lange Strecke des Trecks aus eigener Kraft bewältigen. Das Fahrzeug fährt Huckepack auf einem Anhänger mit, der von einem jüngeren und schnelleren Traktor gezogen wird.

Am Steuer sitzt Jan Becker und zuckelt gemütlich mit Tempo 25 km/h durch die Landschaft. "Ich fahre mit für eine strahlenfreie Zukunft", sagt er. Die Kernenergie hält er für eine Technologie, die bei menschlichem Versagen unglaubliche Auswirkungen haben könne, und nicht beherrschbar sei. "Radioaktive Strahlung kann riesige Flächen verseuchen und unbewohnbar machen. Außerdem gibt es für den Atommüll keine Lösung, ihn zu entsorgen."

Den Salzstock in Gorleben hält er für nicht endlagertauglich. Bei der Großdemonstration am Brandenburger Tor in Berlin am Sonnabend, die das Ziel des Trecks ist, solle genau das kundgetan werden. "Der Atomausstieg muss beibehalten werden, erst recht vor dem Hintergrund der jüngsten Störfälle in Krümmel und der neuen Diskussionen um Gorleben", sagt Becker. Der Treck habe mit jedem Kilometer mehr eine ganz eigene Dynamik entwickelt, berichtet der Student. "Die Atmosphäre ist eine Mischung aus Festival, Campingurlaub und politischer Aktion."

Die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte aus Scharnebeck fährt in einem VW Bus mit. Sie erzählt: "Viele Campingwagen und Wohnmobile sind dabei, in denen die Teilnehmer übernachten. Viele zelten auch und Landwirte schlagen nachts große Planen neben ihren Traktoren auf, errichten so Zeltburgen. Einige der Bauern schlafen auf ihren Anhängern."

Der Konvoi spiegele auch die Lüneburger Region wider, meint Jan Becker. Landwirte, kleine Kinder, Studenten, Radfahrer und Politiker aus Stadt und Kreis einerseits, aber auch Hunde, Katzen und Heidschnucken auf einem Anhänger von Teilnehmern aus dem Landkreis seien mit von der Partie. "Das alles ergibt ein sympathisches und buntes Bild und zeigt, dass Protest fröhlich und ohne Krawall möglich ist."

So scheinen es auch die Zaungäste entlang der Strecke wahrzunehmen. Becker erzählt: "Wenn wir in die Dörfer einfahren, winken uns die Menschen zu. Die Häuser sind geschmückt und wir werden überall begeistert empfangen. Die Stimmung ist klasse", schwärmt er. Doch dann und wann stünden auch Bürger am Straßenrand und teilten den Treck-Teilnehmern ihr Missfallen mit, räumt Staudte ein: "Sie zeigen uns einen Vogel."

Der 27-Jährige Student Becker glaubt, die Botschaft, die mit dem Treck transportiert werden soll, komme bei den Leuten am Straßenrand an. "Wir schreiben Geschichte. Genauso wie der erste Gorleben-Treck 1979 nach Hannover." An dem beteiligten sich 100 000 Teilnehmer, die in der Landeshauptstadt gegen Atomkraft und Gorleben als Endlager demonstrierten. Auch Miriam Staudte ist überzeugt, dass der Treck einen weiteren Meilenstein im Protest gegen die Kernenergie setzen werde. "Ob er aber ein geschichtlich bedeutender wird, zeigt sich bei der Demonstration am Sonnabend. Erst, wenn nicht nur Anti-Atom-Aktivisten demonstrieren, sondern viele andere Leute aus der Bevölkerung, wird der Gorleben-Treck wieder ein historisches Ereignis."