“Wir sind hier, um endlich das zu schaffen, was wir uns schon so lange gewünscht haben.“ Kurz vor der offiziellen Gründung begrüßt Initiator Götz Gerke die 16 Pflegeeltern, die gekommen waren, um einen neuen Verein ins Leben zu rufen.

Winsen. Nur eine halbe Stunde später ist Gerke offiziell erster Vorsitzender des "PFEIL Harburg e.V." (Pflegeelterninitiative im Landkreis Harburg). Der Verein soll die Strukturen bilden, die den Pflegeeltern so dringend fehlen - zumindest hier im Landkreis. Denn Harburg ist Entwicklungsland, was die Organisation von Pflegeeltern untereinander und deren Förderung durch die Behörden angeht. Die Pflegeeltern treffen sich zum Teil seit fast 25 Jahren. Nun wollen sie sich durch die Vereinsgründung nicht nur untereinander stärken, sondern vor allem eine öffentlich wirksame Plattform gegenüber Behörden und Politik bilden. Denn die scheint in Harburg längst überfällig.

"Wir vermissen eine angemessene Förderung der Pflegeeltern", sagt Gerke. "Behördliche Angelegenheiten, der Umgang mit dem Jugendamt, die Einforderung finanzieller Hilfen - das ist alles sehr mühsam und langwierig", berichtet der Vater von drei leiblichen und zwei Pflegekindern aus Luhdorf. Manche fühlten sich wie Eltern zweiter Klasse.

Pflegemutter Christine Reifschläger weiß: "Wer ein Pflegekind übernimmt, bekommt einen ganzen Rucksack voller Probleme dazu." Diese zeigten sich aber in der Regel erst im Laufe der Zeit. Psychische Schäden bei den Kindern durch Alkohol in der Schwangerschaft, Verhaltensstörungen durch Traumata oder leibliche Eltern, die plötzlich ein Besuchsrecht einfordern - die Probleme sind vielfältig. Meist gebe es dafür Lösungen, aber die Pflegeeltern würden einfach nicht darauf vorbereitet. "Mein Junge legt pro Tag zwei Brandnester in unserem Haus", berichtet eine Mutter. Sie habe sich zwecks einer Therapie an das Jugendamt gewendet und gesagt bekommen, es gebe eben gute und schlechte Kinder.

Götz Gerke will die Behörden gar nicht angreifen, er setzt auf fruchtbare Zusammenarbeit. "Das Jugendamt hat Probleme, diesen großen Landkreis zu bearbeiten." Hinzu kommt, dass aus Hamburg überdurchschnittlich viele Kinder an Pflegefamilien im Umland, auch in den Kreis Harburg, vermittelt werden.

Dieses Problem sieht auch Reiner Kaminski, Kreisbereichsleiter Soziales: "Das Pflegekinder-System in Hamburg ist im Grunde nicht kompatibel mit dem bei uns." Dort gebe es eine andere Auffassung von Pflegeelternschaft.

Doch die "PFEIL"-Eltern sehen ein generelles Problem: "Es gibt keine Fortbildungen und Infos, es wird nicht einmal eine Versicherung angeboten! Verglichen mit anderen Landkreisen haben wir hier ganz großen Verbesserungsbedarf", sagt Götz Gerke.

Sein erklärtes Ziel: "Wir wollen nicht um jeden Cent, um jede Therapie kämpfen müssen. Wir brauchen Strukturen", sagt Gerke. "Wir wollen zusammen mit dem Jugendamt das Kindeswohl als Ziel haben." Auch Reiner Kaminski befürwortet die "PFEIL"-Gründung. Es sei aber wichtig, "als Partner zu agieren, nicht als Gegner."