Wenn kein Euro übrig ist, klingeln die Telefone in den Büros der Schuldnerberatung des Diakonieverbandes in Lüneburg.

Lüneburg. Mehr als drei Millionen Haushalte in Deutschland sind überschuldet - viele können nicht einmal mehr die Zinsen für die aufgelaufenen Schulden aufbringen. Das belegt der kürzlich erschienene Schuldenreport 2009, vorgelegt von Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie, Paritätischem Wohlfahrtsverband, Rotem Kreuz und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen.

"Bei uns landen die, die am Ende sind. Dann war bereits der Gerichtsvollzieher da, das Inkassobüro droht oder der Strom wurde abgestellt", berichten Anke Gottwald und Tina Stache, zwei von vier Beratern der Lüneburger Schuldnerberatung des Diakonieverbandes. Als Anwälte der Schwachen und Armen verstehen sie ihre Arbeit.

460 Beratungen schulterten die Kollegen im vergangenen Jahr. Wider Erwarten registrieren sie in diesem, von der Wirtschaftkrise geschütteltem Jahr, bisher keinen erhöhten Beratungsbedarf. Gleich bleibend hoch sei die Zahl in den vergangenen Jahren geblieben, erklärt Anke Gottwald. "Was wir deutlich gespürt haben, war die Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 - die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe."

Telefonisch erreichbar sind die Schulden-Experten montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 9.00 Uhr. Auf ein persönliches Beratungsgespräch in den Büroräumen an der Neuen Sülze 5-6 warten Hilfesuchende indes bis zu sechs Monaten. Zu groß ist die Nachfrage. Finanziell wird die Lüneburger Beratungseinrichtung vom Diakonieverband der Evangelisch-lutherischen Kirchenkreise Lüneburg und Bleckede getragen. Es fließen Gelder aus den Kassen von Landkreis und Stadt Lüneburg, dem Sparkassen- und Giroverband sowie den Kirchen.

Kommt es zu einer telefonischen Kontaktaufnahme und Beratung, möchte jeder umgehend sein Problem lösen. Den gelernten Sozialarbeiterinnen gelingt es, am Hörer Erste Hilfe zu leisten und den Sturm der Verzweiflung, den viele Anrufer in sich tragen, zu beruhigen. "Wir geben konkrete Hilfe, gehen auf die Probleme hier und heute ein. Dabei hat die die Existenz Vorrang, also Kühlschrank und Lebensunterhalt. Die Schulden werden zweitrangig behandelt. Wir beraten, was aktuell zu tun ist, wenn es zur Konto- oder Lohnpfändung kommt, Mahn- oder Vollstreckungsbescheide vorliegen, der Strom abgestellt werden soll."

Liegt dann nach Monaten die Einladung zu einem persönlichen Beratungsgespräch im Briefkasten, erscheinen die meisten Schuldner zumeist mit einem Schuhkarton im Arm, gefüllt mit ungeöffneten Briefen, Bankauszügen und Schuldnerbelegen. "Am Tisch sichten und bewerten wir dann gemeinsam."

Grund für die Verschuldung ist in über 50 Prozent die Arbeitslosigkeit, gefolgt von Unfall, Krankheit und Sucht. Wie hoch die Schulden auch immer sind, für die Schuldner ist es existenziell "auskömmlich zu wirtschaften, keine neuen Schulden zu machen und jede Ausgabe auf den Prüfstand zu stellen". Dass es viele schaffen, bestätigen Stache und Gottwald: "Ein Großteil der hier beratenen Menschen lernt, mit den Schulden zu leben und entwickelt mit uns gemeinsam ein Konzept." In der Regel reichen dafür fünf intensive Beratungsgespräche aus. Immer mehr Schuldnern gelinge ein Neuanfang mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren. Wer nachweist, dass ihm die Schulden über den Kopf gewachsen sind, kann nach sechs mageren Jahren mit seinen Gläubigern im reinen sein.

Immer noch erstaunt sind die Beraterinnen darüber, "wie viel Geld sich mit Menschen verdienen lässt, die nichts haben." Sie kritisieren Banken, die selbst Kunden in wirtschaftlicher Not, zur Kasse bitten. "Die ständige Umschuldung ist eine Kuh, die man melkt", so Anke Gottwald. Statt zum Schuldenabbau beizutragen, entstehen dem Schuldner Gebühren, die er obendrein zu zahlen hat.

Die Erfolgsbilanz der Schuldnerberater spricht für sich: Mehrheitlich gelingt die Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und die Stundung der Schulden. Weitere Informationen über die Schuldnerberatung des Diakonieverbandes Lüneburg finden sie auch im Internet.

www.viaduk.de