Weil in den engen Hörsaal-Reihen kein Platz für ihren Rollstuhl war, musste die Leuphana-Absolventin Merle Schusdzarra oft am Randsitzen - abseits der anderen.

Lüneburg

Als behinderter Mensch ein Studium absolvieren, wie geht das? Merle Schusdzarra (Foto) ist Sozialpädagogin, arbeitet inzwischen in einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche in Hannover. Ein Unfall nahm der jungen Frau die Bewegungsfreiheit, seitdem sitzt Merle im Rollstuhl.

Auch ihr Studium und alle damit verbundenen Anforderungen hat sie als Rollstuhlfahrerin bewältigt: Im Herbst 2008 hat Merle Schusdzarra ihr Studium an der Leuphana Universität abgeschlossen.

Begonnen hatte sie in Lüneburg eigentlich mit dem Fach Wirtschaftspsychologie. "Bei den Wirtschaftspsychologen war der Umgang eher kühl, da gab es eigentlich keine Integrationsbemühungen", sagt sie.

Sie wechselte das Fach und studierte Sozialpädagogik: "Da gab es mehrere Behinderte unter den Studenten, da gehörte man gleich dazu. Dort habe ich mich wohl gefühlt", sagt sie.

Was ihr indes zu schaffen machte, waren die Baulichkeiten auf dem Campus: Weder die ehemalige Kaserne in der Scharnhorststraße, noch die Gebäude am Rotenbleicher Weg, wo der Fachbereich Sozialwesen schwerpunktmäßig angesiedelt ist, sind auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern ausreichend zugeschnitten: "Auf dem Campus sind die Hörsäle für Rollstuhlfahrer schrecklich, die sind ungeeignet", sagt Schusdzarra.

An behinderte Studenten hat dort niemand gedacht: "Die Sitzreihen sind viel zu eng und haben keinen Platz für einen Rollstuhl - da steht man mit dem Rollstuhl immer am Rand", sagt Schusdzarra.

Auch im Rotenbleicher Weg musste sie in Vorlesungen meist ohne eigene Schreibgelegenheit auskommen: "Nur in der Aula im Rotenbleicher Weg passte es. Ansonsten stand ich auf dem Gang neben der Bestuhlung, Platz für einen eigenen Tisch war meistens nicht." Auf dem Gang schrieb sie auch ihre Klausuren. "In die Seminarräume im Roten Feld kam ich nur durch den Keller."

Auch an die Sanitäranlagen für Behinderte hat sie nicht nur gute Erinnerungen: "Es gab Toiletten für Behinderte, aber die eine an der Scharnhorststraße schloss sich automatisch. Das dauerte viel zu lange, da stand man ewig herum und wurde von allen angestarrt", erinnert sich Merle Schusdzarra.

Kaum verwunderlich, dass sie sich mehr praktische Hilfe wünscht, vor allem am Anfang: "So etwas wie ein Zivildienstler, der einen Behinderten am Anfang auf dem Campus begleitet, das wäre eine Hilfe."

Diese Möglichkeit gibt es tatsächlich, sagt Professor Karl-Heinz Wöhler, Beauftragter für Studierende mit Behinderung an Leuphana: "Das ist gesetzlich geregelt. Studierende mit Behinderung können einen Begleiter bekommen, der in den Veranstaltungen dabei ist. Die Universität hilft auch mit Strukturmaßnahmen - gerade wurde in der Bibliothek ein Arbeitsplatz für eine sehbehinderte Studentin geschaffen", erklärt Wöhler.

Auch finanzielle Hilfen sieht der Gesetzgeber vor: "Mit der Einführung der Studiengebühr sind das wesentliche Fragen. Da helfe ich, auch durch Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen", verspricht Karl-Heinz Wöhler.

Was die Baulichkeiten an Leuphana angeht, sind auch bei ihm allerdings noch Wünsche offen: "Unsere Hochschule bezeichnete sich ja als offene Hochschule. Von daher gehe ich davon aus, dass in dem neuen, auf dem Campus geplanten Wohnheim auch Plätze für Behinderte vorgesehen sind", sagt Wöhler.