Das Kulturzentrum in Hitzacker steht vor dem Aus. Experten von der Lüneburger Universität sollen jetzt helfen und nach einer Lösung suchen.

Lüneburg/Hitzacker. Was soll nur aus dem Verdo werden? Seit den frühen 70er-Jahren ist das ehemalige Kurhaus Spielstätte der Sommerlichen Musiktage Hitzacker, des ältesten deutschen Kammermusikfestivals. Außerdem finden hier zumindest gelegentlich Konzerte, Workshops, Lesungen, Ausstellungen, Theatervorstellungen und Märkte statt.

Was kulturell gesehen einen großen Gewinn für die Region darstellt, ist in finanzieller Hinsicht aber ein Desaster: Jedes Jahr macht das Zentrum 120 000 Euro Miese. Eine Last, die die Samtgemeinde Elbtalaue und die Stadt Hitzacker als Betreiber nicht länger schultern wollen und können. Was also tun? "Wir brauchen fachkundige Hilfe", gibt Jürgen Meyer, Samtgemeindebürgermeister und Stadtdirektor von Hitzacker, zu.

Die soll von der Lüneburger Leuphana Universität kommen. Schon seit Jahren habe man eine "sehr gut funktionierende Kooperation" mit der Hochschule, nun sollen Lösungsansätze zur Erhaltung des Verdo erarbeitet werden. Feeline Massonne, Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Innovations-Inkubator, will in den kommenden 18 Monaten eine Fallstudie zur Situation des Zentrums erstellen, auf deren Basis Studenten anschließend konkrete Lösungsvorschläge zur besseren Auslastung erarbeiten sollen. "In zwei Jahren verfügen Sie über einen Wissenspool von Studenten", verspricht Massonne.

Es sind viele Fragen, die geklärt werden müssen. Zum Beispiel: Wie kann die Werbung optimiert werden? Gerade einmal 5000 Euro stehen hierfür laut Meyer jährlich zur Verfügung. Eine andere Frage: Ist eine GmbH tatsächlich die optimale Betreiberform? Und die wichtigste Frage von allen: Kann das Verdo überhaupt gerettet werden?

Denn Tatsache ist: Das ehemalige Kurhaus steht meistens leer. Kein Wunder, denn im gesamten Landkreis Lüchow-Dannenberg leben nur 48 000 Menschen, die Stadt Hitzacker, über der das Verdo thront, hat 4800 Einwohner. Dass das Verdo mit seinen 1200 Quadratmetern Veranstaltungsfläche nicht ausgelastet sein kann, ist sonnenklar. Woher sollen die Leute kommen? Allein der 527 Quadratmeter große Saal bietet bestuhlt Platz für 768 Menschen. Zum Vergleich: Im Großen Haus des Theaters finden 546 Zuschauer Platz.

"Irgendwann wird uns die Kommunalaufsicht den Betrieb verbieten", fürchtet Stadtdirektor Meyer. Das will er unter allen Umständen vermeiden: "Das Verdo hat eine besondere Bedeutung für die Stadt Hitzacker und die gesamte Region." Das Verdo und mit ihm die Sommerlichen Musiktage Hitzacker sind nicht die einzigen kulturellen Einrichtungen auf dem Lande, die um ihre Überleben kämpfen. "Man ist in der Diskussion im Musikland Niedersachsen", sagt Linda Engelhardt, Vorsitzende des Trägervereins der Sommerlichen Musiktage Hitzacker, "viele Veranstaltungsstätten im ländlichen Raum stehen massiv unter Druck."

Zu groß war dieser in Bleckede. Wie berichtet fand das traditionsreiche Elbschlossfestival in diesem Jahr zum letzten Mal statt. "Der finanzielle und personelle Aufwand stand in keinem Verhältnis zum Ertrag", sagt Axel Schlemann von der Marketing-Abteilung des Biosphaeriums. "Ich habe jedes Jahr ein gutes Drittel meiner Arbeitszeit in die Organisation des Festivals gesteckt, und das hochkarätige Programm hat viel Geld gekostet. Wenn dann aber nur 150, 170 Leute kommen, muss man davon Abstand nehmen."

Schlemann sieht mehrere Gründe für das Scheitern der Veranstaltung. Ein ganz banaler: das Wetter. "Wir hatten in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht viel Pech, es war immer kalt und regnerisch." Dann sei es nicht gelungen zu vermitteln, welch hochkarätiges Programm geboten werden. "Ohne einen bekannten Namen ist es schwer, Publikum zu ziehen, und wenn die Musiker noch so hochklassig sind."

Der Hauptursache liegt für Schlemann aber in den veränderten Rahmenbedingungen. "1976, als das Festival zum ersten Mal stattfand, hatten wir eine Zonenrandlage. Damals wollte man Hochkultur in die Fläche bringen, es gab jede Menge Fördermittel. Heute ist es schwer, an Geld zu kommen." Zudem sei die Konkurrenz früher nicht so stark gewesen: Es gab weder ein Schleswig-Holstein Musik Festival noch die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Ganz zu schweigen von den vielen kleinen Festivals und Konzertreihen wie der Adendorfer Serenade oder dem Musikfestival Lüneburger Heide. "Die meisten potenziellen Konzertbesucher leben nun mal in Lüneburg", sagt Schlemann. "Für die ist es beschwerlich hier heraus zu kommen."