Thilo Clavin und Leo Demuth vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) entwerfen ihre Vision von Lüneburgs Verkehr der Zukunft.

Lüneburg. Weniger Individualverkehr, keine Zuwächse an Autoverkehr, aber trotzdem die Autobahn 39. Ein Bürgerbus, gesteuert von Ehrenamtlichen, und der mobile Lückenschluss zu den Nachbargemeinden. Das sind die Ziele in Sachen Verkehr von Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), die er in der Reihe "Visionen 2030" beschrieben hat. Im Gespräch mit dem Abendblatt nimmt der Vorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Stellung dazu und entwirft seine eigenen Visionen einer künftigen Verkehrspolitik in Lüneburg.

Der VCD bezeichnet sich selbst als "einzigen ökologischen Verkehrsclub", Ziel des Verbands ist eine "umwelt- und sozialverträgliche, sichere und gesunde Mobilität". Seit Februar dieses Jahres ist der pensionierte Berufsschullehrer Leo Demuth, 65, Vorsitzender des Lüneburger Regionalverbands Elbe-Heide mit Sitz im Heinrich-Böll-Haus. Der gelernte Industriekaufmann und Mitarbeiter des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Thilo Clavin, 50, ist seit 2010 Mitglied des Kreisvorstands.

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"Wir wollen Verkehrsberuhigung statt den Ausbau von Straßen wie etwa der Reichenbachbrücke", sagt Clavin. "Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten."

Eine "Schizophrenie" nennen beide die Forderung Mädges nach der A 39 bei gleichzeitigem Wunsch nach weniger Individualverkehr. "Die Kosten sind von 617 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden explodiert", sagt Thilo Clavin. "Das ohnehin miserable Kosten-Nutzen-Verhältnis hat sich weiter verschlechtert. Kommunalpolitiker, die eine Nord-Süd-Transitroute durch Wohngebiete der eigenen Kommune befürworten, müssen von allen guten Geistern verlassen sein."

Kritik kommt von den VCD-Vorständen außerdem an der fehlenden Busanbindung des Ilmenau-Centers sowie des neuen Ärztehauses an der Feldstraße. "Am Ärztehaus muss es eine Haltestelle geben, ohne Wenn und Aber", sagt Clavin. Leo Demuth weist zudem darauf hin, dass in Neubaugebieten wie etwa Bülows Kamp oder auch dem Hanseviertel durch die Straßenplanung kein Bus fahren kann. "Wir fordern, dass Baugebiete so geplant werden, dass sie per Bus erschlossen werden können."

Außerdem will Demuth, dass sonnabends wieder Busse am Markt halten. "Autofahrer dürfen das, aber wer mit dem Bus fährt, muss seine Taschen bis zum Reichenbachplatz schleppen." Er fordert auch einen Kurzstreckentarif für Lüneburg: "Es kann nicht sein, dass man vom Sand zum Bahnhof 1,85 Euro zahlt." Seine Vision für die Zukunft: ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr, finanziert über eine Umlage durch alle Bürger.

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Die Idee eines Bürgerbusses wird vom VCD unterstützt. "Das könnte sich besonders für die Ausweitung des Busverkehrs in den Abendstunden anbieten", sagt Demuth.

Die neue Ilmenaubrücke für das geplante Wohn- und Gewerbegebiet An der Wittenberger Bahn werde dagegen zusätzlichen Verkehr bringen. Der VCD fordert daher die Streichung der zusätzlichen Querung und stattdessen die Erschließung über eine Rampe direkt von der Friedrich-Ebert-Brücke und den Pirolweg.

Außerdem schlagen die Verbandsvertreter vor, mehr Einbahnstraßen in der Innenstadt im Gegenverkehr für Radfahrer zu öffnen, "vor allem gilt das für die Lüner Straße bis zur Rotehahnstraße", so Clavin. Und sie fordern viel mehr Radarkontrollen, vor allem an der Willy-Brandt-Straße und in Tempo-30-Zonen.

Die von der Stadtverwaltung geplante Mobilitätszentrale befürwortet der VCD. "Wichtig ist vor allem die Beratung", sagt Demuth. Er wünscht sich, dass dort Fahrkarten verkauft werden und Car-Sharing angeboten wird.

Doch das Steckenpferd von Demuth, der 30 Jahre Vorsitzender des Trägervereins des Heide-Express' war, ist die Bahn. Er fordert Fernverkehrshalte der Deutschen Bahn im Stundentakt, die Ertüchtigung der Wendlandbahn auf Tempo 80 oder 100 sowie die bessere Abstimmung von Zug und Bus durch ein Informationssystem über aktuelle Verspätungen. "Die Busfahrer müssen wissen, wann genau ein Metronom ankommt und im Rahmen einer bestimmten Toleranzgrenze auf die Züge warten."

Eine Vision des VCD ist zudem eine sogenannte Stadtbahn - nicht innerhalb der Stadt, sondern zu siedlungsstarken Nachbarn. Geräuscharme, moderne Triebwagen sollen zum Beispiel von Wendisch Evern, Melbeck/Embsen und Scharnebeck nach Lüneburg und zurück pendeln. Die Gleise gibt es. Zu dem Thema lädt der VCD für Donnerstag, 14. Juni, zu einer Podiumsdiskussion ein unter dem Titel "Brauchen Adendorf und Deutsch Evern wieder einen Bahnhof?" Los geht es um 19.30 Uhr im Böll-Haus, Katzenstraße 2.