Die beiden Schwestern aus Stelle haben mit Dessous in Übergrößen eine Marktlücke entdeckt. Kundinnen stimmen über die Kollektion ab.

Lüneburg. In einem ausgebauten Dachgeschoss der Lüneburger Leuphana-Universität befindet sich die Gründerschmiede der Heide-Region. Hier sind alle per Du und man spricht vom "Pitchen", dem "Crowd-Funding" und der "Community" - das Fachvokabular der jungen Unternehmens-Starter, die ihre Klientel häufig im Internet finden.

Laura Gollers, 24, und Sabrina Schönborn, 32, aus Stelle sind solche Jungunternehmerinnen. Vor genau einem Jahr haben die Schwestern das erste "Startup Weekend", einen Wettbewerb für Unternehmensgründer, gewonnen und sind richtig durchgestartet. Ihre Geschäftsidee scheint auf den ersten Blick einfach: Sie produzieren Büstenhalter in Übergrößen . "Es gibt in Deutschland kaum optisch ansprechende Dessous für Frauen, die eine größere Oberweite als 75-B haben. Wenn die Unterwäsche vernünftig sitzen soll, kann man quasi gleich ins Sanitätshaus gehen", sagt Sabrina Schönborn. "Die Industrie scheint das bisher nicht zu interessieren. Gerade bei großen Brüsten ist es ja keine Alternative, keinen BH zu tragen. Also kaufen viele Frauen zu kleine Modelle. Das wollen wir ändern."

Mit diesem Anspruch sind sie beim "Startup Weekend" angetreten und haben prompt gewonnen. Der gemeinnützige Wettbewerb wird an diesem Wochenende erneut in Hamburg von Lüneburger Studenten ausgerichtet. Am Freitag stellen etwa 60 Leute ihre Gründungsidee in einminütigen Blitzvorträgen vor. "Das nennt man pitchen", sagt Sabrina Schönborn. Anschließend entscheiden die Teilnehmer, welche zehn Konzepte weiterverfolgt werden. Ihre Ergebnisse präsentieren die Gruppen am Sonntag einer fünfköpfigen Jury, die einen Gewinner wählt.

Lara Obst war im vergangenen Jahr Mentorin der Schwestern aus Stelle. Für sie ist völlig klar, warum die beiden den Wettbewerb gewonnen haben. "Die Idee stimmt einfach und ist wirklich eine Marktlücke. Die beiden haben das ganze Wochenende durchgeackert und wurden von den anderen Teammitgliedern super unterstützt. Am Ende konnten sie eine Vorabversion ihres Onlineshops präsentieren."

Auch bei weiteren Wettbewerben überzeugten die Schwestern mit ihrer Idee und erhielten viel Zuspruch. "Irgendwann mussten wir uns entscheiden, endlich mal etwas zu produzieren", sagt Laura Gollers. "Ich habe noch schnell meine Bachelorarbeit geschrieben und Sabrina hat ihren Job gekündigt. Dann waren wir plötzlich Unternehmerinnen."

Das Startkapital für "Sugar Shape" besorgten sie sich über ein sogenanntes Crowd-Funding. "Dabei können Leute im Internet für die Gründungsidee Geld geben und werden anschließend am Gewinn beteiligt", sagt Sabrina Schönborn. Mit ihrer Geschäftsidee haben die Jungunternehmerinnen offensichtlich ins Schwarze getroffen. Die Internetgemeinschaft war so begeistert von dem Konzept, dass in weniger als vier Stunden 100 000 Euro zusammenkamen. "Diesen Vertrauensvorschuss wissen wir sehr zu schätzen", sagt Sabrina Schönborn. "Es ist uns wichtig, die Community, also die Nutzerinnen, an allen unseren Prozessen teilhaben zu lassen." So ist es zum Beispiel möglich auf ihrer Internetseite über die Gestaltung der Dessous abzustimmen und eigene Ideen einzureichen. "Alle unsere Fotos machen wir mit Kundinnen", sagt Laura Gollers. "Da sind superkurvige Frauen dabei, aber auch ganz schlanke, die einfach eine große Oberweite haben und deshalb bei uns bestellen."

Der Erfolg stellte sich umgehend ein, die Anfragen kommen mittlerweile aus der gesamten Republik und dem deutschsprachigen Ausland. Laura Gollers sagt: "Es gibt in Deutschland eine relativ große BH-Lobby. Das sind Frauen, die sich im Internet über ihre Erfahrungen austauschen, gerade weil sie von dem Angebot enttäuscht sind. Die haben uns natürlich mit offenen Armen empfangen und bekannt gemacht."

In ihrem Heimatort Stelle wird jeder Karton von den Unternehmerinnen selbst gepackt und als Dankeschön für das Vertrauen mit kleinen Überraschungen versehen. Produziert wird die Ware in Istanbul. "Das ist die Textilhauptstadt von Europa", sagt Sabrina Schönborn. "Es ist uns wichtig, die Wege kurz zu halten und dort ist es uns, im Gegensatz zu Asien, möglich, einen persönlichen Kontakt zu den Näherinnen und Nähern zu halten. Wir kennen alle beim Namen und von den fairen Arbeitsbedingungen kann man sich auch in unserem Blog überzeugen."

Dass die Schwestern gut zusammenarbeiten können, haben sie bereits bei einem gemeinsamen Job in München festgestellt. Mit gerade einmal 30 Jahren hatte Sabrina Schönborn dort die Unternehmensgründung einer Firma aus dem Silicon Valley betreut, unterstützt von ihrer Schwester.

Die Aufgaben in ihrem eigenen Geschäft sind klar verteilt. Sabrina Schönborn hat in Lüneburg Wirtschaftspsychologie studiert, sie kümmert sich um das Finanzielle. Laura Gollers hat ihren Abschluss in Germanistik und Kulturwissenschaften gemacht, sie betreut die Produktion und fliegt dafür auch mal für einige Tage nach Istanbul. Am vergangenen Wochenende war sie dort, um die zweite Kollektion vorzubereiten. "Die Abstimmung über das Design ist bereits beendet. Ein Name fehlt noch, den suchen wir natürlich gemeinsam mit unserer Community im Netz."