Es scheint, als wehe ein neuer Wind durch Deutschland. Man engagiert sich wieder - bei Occupy, bei Anti-Atomkraft-Demos oder bei den sich karnickelartig vermehrenden Piraten. Die Deutschen wollen wieder mitreden. Sie haben erkannt: Jede einzelne Stimme zählt, gemeinsam kann man vieles bewegen.

Auch die Gewerkschaften spüren diesen neuen Trend zur Bürgerbeteiligung. Erstmals seit langer Zeit verzeichnet die zahlenmäßig größte Gewerkschaft der Region, ver.di, einen realen Mitgliederzuwachs. Auch wenn 1,11 Prozent nicht nach rasanter Änderung klingt: Es ist genau wie der relativ große Zuspruch, den die Kundgebung zum 1. Mai hatte, ein Zeichen dafür, dass die Gewerkschaften wieder mehr Vertrauen genießen.

Doch nicht nur dafür. Denn das gesteigerte Interesse an Partizipation liegt nicht nur in einer Aufbruchsstimmung oder einer nachlassenden Politikverdrossenheit begründet. Vielmehr ist es nackte Angst, die hier zum Ausdruck kommt: Angst, den Job zu verlieren. Angst, trotz eines Jobs nicht mehr die Familie ernähren zu können. Angst, dem gestiegenen Druck im Beruf nicht mehr standhalten zu können.

Es ist wichtig, dass sich die Gewerkschaften diese Themen auf die Fahnen schreiben und die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen. Welche Ergebnisse sie mit ihren Forderungen letztendlich erreichen, wird man sehen, wenn die anstehenden Tarifverhandlungen abgeschlossen sind.