Höchste Stufe bei der Waldbrandgefahr. Viel zu frühes Sommerwetter gefährdet Ernte der Bauern. Trockenheit hält seit fast drei Monaten an.

Lüneburg. Das regenarme Wetter vom April hat sich in den ersten neun Tagen im Mai nahtlos fortgesetzt und die nun schon fast drei Monate anhaltende Trockenperiode auch im Landkreis Lüneburg verschärft. Sich immer wieder regenerierende Hochdruckgebiete über West- und Mitteleuropa blockieren mit ihrer stabilen Lage die normalerweise in dieser Jahreszeit nach Mitteleuropa strömenden feuchten Atlantikwinde. Eine grundlegende Umstellung dieser zur Dürre neigenden Großwetterlage ist zunächst nicht in Sicht. Landwirte, Förster und Feuerwehrleute hören die Prognose nicht gern. Denn sie haben mit den negativen Folgen des viel zu frühen Sommerwetters zu kämpfen.

Peter Müller von der Landberatung in Lüneburg schlägt Alarm. "Es könnte Ernteeinbußen von bis zu 25 Prozent geben", sagt er. Die Natur steht still, weil Wasser fehlt und der fast stetig wehende Ostwind die Böden bereits ausgedörrt hat, so der Anbauberater für die Bauern. "Besonders der Raps leidet", sagt Müller.

Auch wenn die Pflanzen in herrlich gelber Blüte auf den Äckern leuchten, so wachse der Raps dennoch schlecht. "Es gibt nur eine Notreife mit reduzierter Schotenzahl. Die Rapspflanzen schaffen es gerade, zu überleben." Das bedeutet für Landwirte schlechte Erträge. Es sei denn, sie haben rechtzeitig begonnen, die Pflanzen zu bewässern. Einige Bauern hätten jedoch schon Raps untergepflügt, weil nichts mehr zu retten war.

Kaum mehr als zehn Liter Regen pro Quadratmeter spendete der Himmel im April. In der Elbniederung waren es örtlich sogar nur sechs Liter. Das sind 13 beziehungsweise 23 Prozent des Solls. Stattdessen sorgte subtropische Warmluft am Osterwochenende für den Ausbruch des "Aprilsommers" und damit für das bisher sonnigste und wärmste Osterfest aller Zeiten.

Die Wetterkapriole setzt auch dem Wintergetreide zu. Es sieht nach den Worten von Peter Müller nicht gut aus. "Die Feuchtigkeitsreserven in vielen Böden sind aufgebraucht. Roggen und Gerste können deshalb nicht ausreichend Wurzeln bilden." Nach Wasser lechzen auch Kartoffeln und Rüben sowie das inzwischen sehr dröge Grünland. "Wir benötigen dringend Regen, wobei ein Schauer aber nichts bringen würde." Müller wünscht sich Landregen für die Landwirte.

Doch ob wirklich Tropfen fallen, ist fraglich. Voraussichtlich bis heute kann sich der "Maisommer" halten. Ob dann eine Gewitterfront aus Südwesten eine kalte Dusche beschert, ist noch sehr ungewiss. Eines steht jedenfalls fest: Der von der Vegetation so dringend benötigten Regen wird wohl ausbleiben. Daher bleibt es auch in den Wäldern brenzlig.

Für das nordöstliche Niedersachsen besteht nach wie vor hohe Waldbrandgefahr. Das gilt vor allem für Kiefernwälder. "In ihnen entfacht sich ein Feuer wesentlich schneller als in einem Laubmischwald", so Burkhard von List. Der Leiter der Scharnebecker Revierförsterei sagt, dass die flach wurzelnde Kiefer, die auf sandigem Untergrund steht, wenig Wasser im Boden bindet. Trockene Baumkronen und abgestorbene Zweige im unteren Stammbereich sowie Wind und Sonne, die das Gras austrocknen, sind das ideale Futter für ein Feuer. "Unter diesen Voraussetzungen findet selbst die kleinste Flamme reichlich Nahrung, um sich zu einem Waldbrand zu entwickeln."

Lüneburgs Kreisbrandmeister Torsten Hensel sagt, mindestens bis Freitag bleibe die höchste Warnstufe bestehen. "Die Situation ist kritisch, vor allem in der Göhrde, im Süsing bei Amelinghausen, im Carrenziener Forst in Amt Neuhaus und im Waldgebiet Einemhof zwischen Radbruch, Mechtersen und Kirchgellersen." Seit dem vorigen Wochenende startet täglich ab Mittag das Feuerwehrflugzeug in Lüneburg. "Sechs Wald- und sieben Flächenbrände hat die Besatzung schon aus der Luft entdeckt", so Hensel. Bei 16 Einsätzen haben die Luftbeobachter die Feuerwehrkräfte am Boden zudem zu Bränden geleitet. "Der Schwerpunkt liegt bei Gorleben, Schneverdingen und auf den Flächen des Truppenübungsplatzes Munster."

Aufgrund der anhaltenden Trockenheit und der Gefahr von Wald-, Moor- und Heidebränden hat der Landkreis Lüneburg eine Verordnung erlassen. Sie verbietet das Grillen auf öffentlichen Grillplätzen und das Abstellen von Autos mit Abgaskatalysatoren auf bewachsenen Flächen.

In Wäldern, Mooren und Heidegebieten ist es außerdem verboten, die markierten Wander- und Reitwege zu verlassen. Wer gegen die Anordnungen verstößt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro bestraft werden.

Weitaus weniger von Waldbränden bedroht sind Laubmischwälder. Durch das dichte Kronendach dringt wenig Sonnenlicht. Die grüne und wasserhaltige Blattmasse der Buche etwa erschwert die Ausbreitung eines Feuers. "Die Trockenheit gepaart mit den hohen Temperaturen sind allerdings Stress für die Bäume", sagt Stefan Fenner, Sprecher der Niedersächsischen Landesforsten in Braunschweig. Betroffen seien vor allem die vier Millionen neu gepflanzten jungen Bäume.

Fenner befürchtet einen großen Ausfall. "Pro Baum investieren wir einen Euro. Jeweils 50 Cent in Pflanze und Arbeit. Bei einem Verlust von zehn Prozent beziffert sich der Schaden auf 400 000 Euro", so der Förster.

Landberater Peter Müller und Kreisbrandmeister Torsten Hensel haben das Gefühl, dass der frühe Sommer im April und Mai seit einigen Jahren immer öfter vorkomme. Die Wetterdatenbank bestätigt ihre Vermutung. Der diesjährige April war mit plus 4,6 Grad über der durchschnittlichen Mitteltemperatur hinter dem Rekord von 2009 mit einer Abweichung von plus 5,1 Grad der zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung in Lüneburg 1853. Vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung ist bemerkenswert, dass die drei mit Abstand wärmsten Aprilmonate im nordöstlichen Niedersachsen innerhalb der vergangenen fünf Jahre aufgetreten sind. Und der Mai schickt sich an, die Rekordjagd fortzusetzen.