Unbequeme Denkmäler: Erinnerungskultur zwischen Trauer und Verdrängung, Mahnung und Verklärung

Wie wollen wir der Toten von Kriegen und Gewaltherrschaft künftig gedenken? Wie soll ein zentrales Denkmal im Kreis aussehen? Darüber diskutierten am Freitagabend in der Alten Meierei knapp 50 Bürger mit der schleswig-holsteinischen Kultusministerin Anke Spoorendonk (SSW), Frauke Eiben, Pröpstin des Kirchenkreises Lübeck/Lauenburg, Johannes Clair (Afghanistan-Veteran) und Ulrich Hentschel von der Initiative Deserteursdenkmal in Hamburg.

"Ein neues Denkmal zu gestalten, ist aus meiner Sicht eine schöne Sache, aber erst der übernächste Schritt. Ich wäre schon froh, wenn sich die Menschen überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen und nachdenken", sagte der Afghanistan-Veteran Johannes Clair. Der 29-Jährige war 2010 im Kriegseinsatz: "Mit dem Volkstrauertag fühle ich mich überhaupt nicht verbunden. Ich bin nach Afghanistan geschickt worden und es hat niemanden in diesem Land geschert, ob wir zurückkommen. Ich möchte keine Heldenverehrung mit Konfettiregen wie in den USA. Ich möchte, dass sich die Menschen mit den Zusammenhängen beschäftigen."

Dass Trauer um Kriegsopfer kein Ritual aus ferner Zeit ist, macht folgende Zahl deutlich: Seit der Wiedervereinigung starben 103 Soldaten bei Auslandseinsätzen. Ulrich Hentschel: "Er war ein großer Fehler, lange zu verschweigen, dass der Afghanistaneinsatz ein Kriegseinsatz ist." Ein zentrales Mahnmal in Berlin erinnert daran. Eine Erinnerung "von unten" aber fehlt. Die Diskussion darüber sei längst überfällig, waren sich alle auf dem Podium einig. Weder Heldenverklärung, noch Verdrängung dürfen die Denkmäler ausmachen.

"Wir brauchen keine Kranzabwurfstellen", sagte Anke Spoorendonk. Denkmäler müssen Orte des Nachdenkens sein, zeitgemäß, kritisch und lebendig. "Jede Generation muss an ihrer Erinnerungskultur arbeiten, nachdenken über eigene Schuld, Friedensbereitschaft und Versöhnung", sagte Frauke Eiben.

Die Diskussion um die "unbequemen Denkmäler" hatten der Lauenburgische Kunstverein, der Kirchenkreis sowie der Heimatbund und Geschichtsverein 2012 angeschoben. 100 Denkmäler stehen im Kreis zur Erinnerung an die Opfer der Kriege. Jedes Jahr am Volkstrauertag kommen immer weniger Menschen dorthin, um ihrer zu gedenken. Einige Denkmäler wurden von Rechtsextremen genutzt.

Die Initiatoren der Aktion regten deshalb an, die Erinnerungskultur neu zu definieren, ein zentrales Denkmal im Kreis zu gestalten. Modelle der Entwürfe von Künstlern waren im Rahmen eines Symposiums am Sonnabend im Foyer der Alten Meierei zu sehen. Daneben auch Arbeiten, die Künstlerin Eva Ammermann (55) aus Kuddewörde mit Jugendlichen und Behinderten gestaltet hatte. In Lauenburg hatte sie mit Konfirmanden nach Kriegsgefangenen geforscht, die dort in der Nazi-Zeit gestorben sind, und mit dem Möllner Lebenshilfewerk das Euthanasieprogramm der Nazis erforscht.

Insgesamt sind 36 Plakate entstanden, 14 davon werden am Volkstrauertag in Ratzeburg zu sehen sein. "Ob die Plakate hinterher in einer Ausstellung zu sehen sein werden, ist noch offen. Möglich ist alles", sagt Ammermann. Das Symposium am Sonnabend endete mit einer Resolution an den Kreistag (s. li.)