Bioabfall: Gülzower streitet mit Abfallwirtschaftsgesellschaft

Peter Max Roggenkamp ist sich keiner Schuld bewusst: Der 70-jährige Gülzower trennt säuberlich seinen Müll, bringt Altpapier und -glas zum nahen Container, befüllt die Gelben Säcke und die drei großen Kompostmieten seines Gartens. Doch jetzt ist er "erwischt" worden, und das bringt den 70-Jährigen auf die Palme: "Die waren so was von arrogant", erinnert sich Roggenkamp an einen Besuch bei der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) in Lanken.

Was war passiert? Roggenkamp hatte seinen neuen Gebührenbescheid bemängelt. Zum Jahresbeginn hat die AWSH ihr neues "Fairpay" genanntes Abrechnungssystem eingeführt (wir berichteten). Bei Roggenkamps waren die Daten jedoch fehlerhaft: Weil der Sohn längst ausgezogen ist, leben in dem Haus nur noch zwei und nicht wie im Bescheid aufgeführt drei Personen. Bei der Korrektur der Daten wurde Roggenkamp dann "erwischt": Wie 19 000 andere Kunden im Kreis hat er weder eine Biotonne geordert noch eine Erklärung zur Eigenkompostierung unterschrieben. "Als die Biotonne 1997/98 im Kreis eingeführt wurde, wurde dies nicht durchgeführt", erläutert AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel. Ein einfacher Anruf bei der damaligen Abfallwirtschaft Lauenburg (AWL) reichte für eine Befreiung aus. Heute ist hingegen die schriftliche Erklärung über die Eigenkompostierung gefordert. Kissel beruft sich dabei auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das 2012 in Kraft trat und 2015 in einer Novellierung noch einmal konkreter gefasst wird.

Kunden, die mit Änderungswünschen zur AWSH kommen, werden seit diesem Jahr auf die fehlende Erklärung hingewiesen. Auch Roggenkamp, der sich jedoch am ultimativen Charakter stört: In einem formlosen Schreiben wurde er aufgefordert, die Erklärung zu unterschreiben, anderenfalls würde ihm eine Tonne vor die Haustür gestellt. Kurz danach forderte die AWSH auch bei den übrigen 19 000 Kunden die fehlende Erklärung ein: Etwa 8000 haben bisher geantwortet. Roggenkamp, wie die Mehrheit, nicht: Seit dem 28. Mai steht jetzt vor seinem Haus eine braune 60-Liter-Tonne, die er jedoch noch nie befüllt hat.

Auch die Komposterklärung will Roggenkamp nicht unterzeichnen: "Das geht gar nicht", sagt der Rentner und weist auf einen abgesägten Baumstamm: "Wie soll ich den auf meinem Grundstück kompostieren." Tatsächlich wird in der Erklärung verlangt, alle Bio-Abfälle auf dem Grundstück zu kompostieren. "Es geht nur um biogene Abfälle, die in die Tonne passen. Alles andere kann natürlich weiterhin zu einem Recyclinghof gebracht werden. Darauf haben wir den Kunden auch hingewiesen", sagt Kissel.

Das Kuriose: Roggenkamp würde sogar sparen, wenn er auf die Biotonne und eine kleinere Restmülltonne umsteigt. Bis zum Jahreswechsel zahlte er für die alle 14 Tage zu leerende Restmülltonne 114,12 Euro im Jahr. Aktuell berechnet ihm die AWSH zuzüglich der 60 Liter Biotonne 155 Euro. Folgte er der Empfehlung der AWSH, würde er nur noch knapp 80 Euro zahlen. Doch dem 70-Jährigen geht es ums Prinzip. Kissel auch: "Wir haben unsere Leistung erbracht, egal ob die Bio-Tonne befüllt wird oder nicht."

Dieses "Prinzip" greift bisher aber nur im ländlichen Bereich, nicht jedoch in Wohnblocks: "Je größer und anonymer die Wohnanlage ist, desto schwieriger wird es", gibt Kissel zu. Vertragspartner sind hier nicht die Mieter, sondern die Wohnungsgesellschaften. Aktuell führt die AWSH Gespräche mit den großen Vermietern im Kreis, um "Schleusensysteme" einzuführen. Sie sollen auch Mietern Anreize zur Mülltrennung bieten.