Lauenburg. Vor 50 Jahren wurden die Kohlplanters gegründet – zunächst als Disco-Tanzgruppe der Awo. Warum Volkstanz plötzlich populär wurde.

Sie sind unter dem Namen Kohlplanters ein Begriff in der Schifferstadt – und weit darüber hinaus. Was nur wenige wissen: Die Volkstänzer starteten zunächst als Tanzgruppe für Disco- und Schlagermusik. „Es waren die Jugend­lichen aus dem Awo-Jugendwerk, die 1972 an den damaligen Vorsitzenden Rolf Kischkat herangetreten sind“, sagt Cordula Hartel, stellvertretende Ortsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (Awo).

Kohlplanters enwickelten sich aus einer Disco-Formation

Doch schon fünf Jahre später war das Disco-Fieber erloschen: Volkstanz war nun der Renner bei den Lauenburgern. Damit waren sie früher dran als die meisten anderen Volkstanzgruppen, sagt Dr. Wolfgang Schlüter, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Tanz (LAG): „Ende der 1980er-Jahre bis in die 1990er-Jahre gab es einen regelrechten Volkstanzboom.

Zuvor war Volkstanz zumeist verpönt, aber plötzlich gab es ein riesen Interesse. Da hatten wir Tanzfeste mit mehr als 500 Teilnehmern.“ Dazu gehörte auch das Norddeutsche Festival der Trachten und Tänze, das die Lauenburger Awo von 1988 bis 2002 im vierjährlichen Rhythmus ausrichtete. „Es war mega anstrengend, aber auch richtig toll“, erinnert sich Hartel: „Wir hatten immer auch Gruppen aus dem Ausland zu Gast, mit denen wir in der Woche vor dem Fest zu Auftritten im Land unterwegs waren.“

Nachwuchsgruppe Danzmüüs probt seit dem Frühjahr

De Kohlplanters bei einem Zug durch die Stadt (Archivfoto).
De Kohlplanters bei einem Zug durch die Stadt (Archivfoto). © BGZ

Mehr als 50 Mitglieder zählten die Kohlplanters zu ihren besten Zeiten: Neben der Tanzgruppe der Erwachsenen gab es zwei Kinder- und eine Jugendgruppe. Heute bilden elf Erwachsene Tänzer den Stamm. „Wir haben wegen der Corona-Pandemie für gut zwei Jahre nichts machen können“, bedauert Hartel, freut sich aber, dass es keine Austritte gab: „Wir sind eine verschworene Gemeinschaft, sind alle schon seit vielen Jahren dabei.“ Seit dem Frühjahr treffen sich die Tänzer wieder und es gibt auch eine Nachwuchsgruppe – die Danz­müüs. Unter der Leitung von Ute Grünwedel üben sich derzeit acht Kinder im Volkstanz.

„Kohlpflanzer“ ist eine Bezeichnung aus der Preußenzeit

Der Name der Gruppe wurde durch einen Aufruf in der Lauenburgischen Landeszeitung gefunden. Er geht auf eine Legende aus der Preußenzeit zurück: Als die Lauenburger Soldaten für den Feldzug gegen Frankreich stellen sollten, erklärten diese, ihre Bürger müssten ja Kohl für die Soldatennahrung anbauen.

Sie wurden fortan „de Kohlplanters“, also die Kohlpflanzer, genannt. Für ihre Tracht orientierten sich die Tänzer gen Mecklenburg. Nach langem Herumexperimentieren verschiedenen Kleidungsstilen wählten sie die traditionelle Tracht mit schwarzem Mieder, weißer Schürze und den bestickten Kappen.

Stoff für die Tracht wurde eigens für die Kohlplanters gewebt

Für Sonnabend, 24. September, laden Kohlplanters und Danz­müüs zur Tanzvorführung auf den Lütten Markt in Lauenburg. Von 10 bis 11.30 Uhr zeigen sie historische Tänze wie Geestländer Quadrille, Ratzeburger Viertour, Holsteiner Kegel oder Föhrer Kreuzpolka.

Wer danach Lust hat mitzumachen, ist herzlich willkommen, so Hartel: „Niemand muss sich dafür eine teure Tracht schneidern lassen. Wir haben noch einen großen Fundus an Trachten aller Größen, die wir gegen eine Kaution an unsere Tänzer verleihen.“ Die Stoffe wurden eigens für die Kohlplanters in einer Weberei gewebt, die Tracht dann selber genäht.

Film über die „Mutter des Volkstanzes“

Dass es die Lieder und Tänze noch gibt, ist vor allem Gertrud Meyer (1877–1966) zu verdanken: „Sie hat in Schweden Kindergärtnerin gelernt und ist dort mit den Volkstänzen in Kontakt gekommen“, sagt Schlüter. Zurück in Deutschland sammelte sie vergessene Volkstänze, für die es zumeist weder Noten noch schriftliche Beschreibungen, sondern nur mündliche Überlieferungen gab, für ihre Arbeit mit den Kindern. 1907 gab sie ihr erstes Buch „Tanzspiele und Singtänze“ heraus, das in der damals entstehenden Wandervogel-Bewegung auf großes Interesse stieß.

Meyer ist auch der Grund, warum Wolfgang Schlüter nicht zum Kohlplanters-Jubiläum nach Lauenburg kommen kann: Am selben Wochenende wird ein israelisches Filmteam den LAG-Landesvorsitzenden besuchen, das einen Dokumentarfilm über die „Mutter des Volkstanzes“ dreht. Die LAG Tanz hatte zu ihrem 125. Geburtstag Meyers Bücher als Reprint neu aufgelegt.


Die „Mutter des Volkstanzes“

Gertrud Meyer (1877-1966) war Kindergärtnerin und Lehrerin im Kindergärtnerinnenseminar des Pestalozzi-Fröbel-Hauses in Berlin. Bei ihrer Ausbildung hatte sie die Bedeutung von Tänzen für Kinder kennengelernt und begann als erste in Deutschland alte Volkstänze zu erfassen. Ihre Bücher wurden in mehreren Auflagen gedruckt und waren vor allem in der Wandervogelbewegung beliebt. 1937 floh Meyer mit ihrem Ehemann vor den Nazis und wanderte ins damalige Palästina aus. 1966 starb die „Mutter des Volkstanzes“ in Haifa. Zu ihrem 125 Geburtstag hat die LAG Tanz ihre Bücher als Reprint neu herausgebracht.