Von Karin Lohmeier

Lauenburg.
Wie kann man Flächen und Entfernungen auf der gekrümmten Erdkugel messen? Dieser Frage hat sich der deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777-1855) sein ganzes Leben lang gewidmet. Daniel Kehlmanns Bestseller "Die Vermessung der Welt", 2012 von Detlev Buck verfilmt, erzählt von dieser Besessenheit. Das Aufteilen einer Fläche in messbare Dreiecke, die Gauß anwandte, wurde zum klassischen Verfahren der Landvermessung.

Eine Methode, die sich weiterentwickelt hat - auch über Lauenburg erstreckt sich heute das Netz dieser Dreiecke. Davon zeugt ein unscheinbarer Stein, der vor dem neuen Trakt der Albinus-Gemeinschaftsschule in Lauenburg steht. Er sieht aus wie ein Grenzstein, doch eine Grenze verläuft hier, mitten auf dem Schulhof, nicht. "Es ist ein trigonometrischer Punkt oder Triangulationspunkt, ein Eckpunkt für Vermesser", weiß Reinhard Nieberg, Leiter des Stadtentwicklungsamtes. Die Nordseite ist mit einem Deltazeichen versehen.

"Und der eigentliche Punkt liegt darunter", so Nieberg. Die unterirdische Stahl- oder Granitplatte ist in etwa einem Meter Tiefe vergraben und bildet mit ihren Koordinaten eine wesentliche Grundlage für alle Karten. Aber auch für Vermessungen bei Bauarbeiten sind trigonometrische Punkte wichtig.

Andreas Gerschwitz vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation weiß Näheres. "Dieser Punkt in Lauenburg liegt 103 737 Meter östlich des neunten Hauptmeridians, der durch Heide verläuft. Er ist 5 915 489,62 Meter vom Äquator entfernt und hat eine Höhe von 67,87 Metern über Normal Null."

15 000 solcher Punkte gibt es in ganz Schleswig-Holstein, etwa einen pro Quadratkilometer. "Und zwei weitere liege in Lauenburg, nämlich an der Berliner Straße und am Triftweg, Ecke Lütauer Chaussee", so Gerschwitz. Sie seien wie Stecknadeln, an denen das Kartensystem aufgehängt ist.

Flächen und Entfernungen können anhand dieser Punkte auf der Grundlage des Satzes des Pythagoras berechnet werden: a² + b² = c² ist die Formel zur Berechnung von Dreiecken.

"Wenn man zum Beispiel eine Schule genau in einer Karte abbilden will, dann muss man auch den Abstand zu Nachbargebäuden oder Grundstücksgrenzen wissen", erklärt Andreas Gerschwitz. Auch bei Luftbildern können anhand der Trigonometrischen Punkte genaue Daten ermittelt werden.

Moderne Satellitentechnik (GPS) löst das alte System mittlerweile immer mehr ab. Dabei kommt es auch zu Abweichungen. Amtsleiter Nieberg: "Wir hatten schon mal den Fall, dass ein Kanaldeckel fünf Meter neben der Stelle lag, an die er sollte. Da hatten die einen Planer mit den alten Vermessungspunkten gearbeitet und andere mit GPS."

Der Punkt vor der Albinus-Gemeinschaftsschule gehört zur ersten Ordnung - diese Punkte liegen in etwa 20 bis 50 Kilometer Entfernung voneinander und zwischen ihnen sind engmaschigere Netze von Punkten zweiter bis vierter Ordnung gespannt.