Boizenburg
(awi).
Ein Besuch im Fliesenmuseum Boizenburg gibt einen tiefen Einblick in Industriegeschichte und Design. Am besten das Auto stehen lassen, sich aufs Fahrrad schwingen, Kurs flussaufwärts in die zehn Kilometer entfernte Lauenburger Partnerstadt nehmen und sich hier ohne Zeitdruck einem deutschlandweit einmaligen Kunstthema widmen - der Gestaltung von keramischem Wandschmuck.

Zur Einstimmung eignet sich das im historischen Zentrum an der Reichenstraße 4 gelegene Gebäude mit der Aufschrift: "Erstes deutsches Fliesenmuseum Boizenburg e. V." Der vor zwei Jahrzehnten gegründete Trägerverein hat das von der Stadt zur Verfügung gestellte Haus restauriert und 1998 die erste Ausstellung frühindustrieller Fliesen eröffnet. Seitdem waren zahlreiche weitere Präsentationen zu unterschiedlichen Themen zu sehen. So etwa "50 Jahre Blütezeit Deutscher Fliesen", "Der Weg der industriellen Fliese in Europa" und "Frühindustrielle Fliesen deutscher Fabriken von 1880 bis 1930". Zurzeit sind "Boizenburger Fliesen - Made in DDR" zu bewundern.

Die Idee für das Museum geht auf die im Jahre 1903 gegründete "Wandplattenfabrik" zurück. Der hanseatische Geschäftsmann Hans Duensing hatte sich für den Standort "Boizenburg bei Hamburg" und ein großzügiges Betriebsgrundstück direkt neben dem Haltepunkt an der Zugstrecke zwischen der Hansestadt und Berlin entschieden. Es bot mit der damals existierenden Schmalspurbahn quer durch die Stadt bis zum Hafen auch eine Anbindung zur Elbe. So war das Firmengelände für den Material- und Warentransport auf der Schiene und dem Wasserweg ideal verknüpft.

Heute hat hier die Boizenburg Fliesen GmbH & Co. KG ihren Sitz. Das Unternehmen hat die von unzähligen Krisen geschüttelte Nachwendezeit bis heute überstanden. Die Belegschaft musste mit fortschreitender Automatisierung im Laufe der Jahre extrem reduziert werden. Was die aktuell rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln und produzieren, wird weltweit angeboten. Zum 100-jährigen Bestehen des Betriebes hat Boizenburg 2003 den offiziellen Beinamen "Fliesenstadt" erhalten.

Aber nicht nur diese Auszeichnung und das Museum prägen die Stadt: Zahlreiche Eigentümer haben an ihren Häusern Keramikbilder installieren lassen, wie zum Beispiel "Die Lesende" über der Elbe-Buchhandlung und "Hygieia" am Ärzte-Haus.

Um auch den Boizenburger Nachwuchs frühzeitig in die Fortführung des Museums einzubinden, werden in Zusammenarbeit mit zwei Schulen gemeinsame Projekte zur Gestaltung und Herstellung von Fliesen organisiert. Gerade entsteht ein zweieinhalb Quadratmeter großes Wandbild aus 110 Einzelteilen. Jungen und Mädchen aus den sechsten bis neunten Klassen beweisen große Kreativität.

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Das Boizenburger Fliesenmuseum ist jeweils dienstags bis freitags zwischen 10 und 16 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Weitere Informationen gibt es online unter