Von Elke Richel

Lauenburg.
"Lassen Sie uns deutsch sprechen", bittet Naira Querobyan Khachatryan, und nachdem sie ihren Namen buchstabiert hat, fügt sie lachend hinzu: "Nennen Sie uns einfach Naira und Avag, das ist einfacher für Sie." Ihr Ehemann nicht zustimmend. Das Musikerpaar lebt seit knapp einem Jahr in Lauenburg. In Armenien haben sie ihre Familien zurücklassen müssen. Nur der 16-jährige Sohn hatte sie auf ihrer beschwerlichen Flucht begleitet.

Nein, mit Politik hätten sie in Armenien nichts am Hut gehabt, beteuert Avag. "Aber ich habe Fragen gestellt. Ich wollte wissen, warum wir auf dem Wahlzettel fünf Kreuze machen sollten, obwohl wir doch nur zwei Personen sind. Man drohte, ich solle besser keine Fragen stellen", erinnert sich der 57-jährige Jurist an die Präsidentschaftswahlen 2013. Freunde seien vor seinen Augen von Zivilkräften der Polizei zusammengeschlagen worden. Bereits bei den Wahlen 2008 wurden in Armenien bei gewaltsamen Protesten mindestens acht Menschen getötet. "Wir lebten in einer Diktatur, die sich durch Intellektuelle bedroht fühlt", sagt die 43-jährige Naira, die in Jerewan Ökonomie studiert hat.

Innerhalb von vier Tagen war die Entscheidung gefallen und die nötigsten Dinge zusammengepackt: In diesem Land wollten sie nicht bleiben. Den Erlös vom Verkauf des Hauses steckten sie einem Schleuser in die Tasche. Mit Bus und Fähre ging's Tausende Kilometer bis in ein Flüchtlingsheim in Gudow. Später bezogen sie in Lauenburg ihre bescheidene Wohnung.

Noch macht der harte Klang der deutschen Sprache Mühe. Doch wo Worte fehlen, öffnet die Musik Türen. Hans Jürgen Rumpf hat ihnen eine solche aufgemacht. Das Alte Kaufmannshaus an der Elbstraße steht ihnen immer offen. Als Familie Rumpf auf Urlaubsreise war, spielten Naira und ihr Mann trotzdem jeden Tag auf dem Klavier. Ihr eigenes war in Jerewan zurückgeblieben. Nur die Duduk begleitete die Familie auf ihrer Flucht. Der samtige Klang des Instrumentes erinnert an eine Oboe. Wenn Avag der Duduk Musik voller Melancholie entlockt, meint man, dass diese von der leidgeprägten Geschichte der Armenier erzählt. Aber auch internationale Komponisten haben es Naira und Avag angetan. In ihrem Repertoire haben sie Werke von Mozart, Bach, Piazolla und Chopin.

Die Musik sei es, die sie immer wieder aufgerichtet habe, sei es, um die Erlebnisse der Flucht zu verarbeiten oder sich vom Alltag im Flüchtlingsheim abzulenken. Ein großes Ziel haben sie vor Augen: Erstmal den Deutschtest bestehen und dann Arbeit in ihrem Beruf zu finden. Auf ihren Sohn sind sie besonders stolz: "Er macht im nächsten Jahr sein Abitur und wird seinen Weg in Deutschland gehen", sagt Naira. Armenien sei Heimat, Lauenburg inzwischen Zuhause. Menschen wie Naira sagen so etwas mit Musik: Für ihren nächsten Auftritt hat sie eine Lauenburg-Sinfonie komponiert.

Gelegenheit, Naira und Avag zu hören, ist am Sonnabend, 11. Juli, um 16 und um 19 Uhr im Alten Kaufmannshaus (Elbstraße 95). Das Konzert sei ein Geschenk für die gastfreundlichen Lauenburger, sagt Naira. Hans-Jürgen Rumpf verrät aber einen Herzenswunsch der beiden: "Sie würden so gern wieder ein Akkordeon haben. Deshalb würden sie sich auch über eine kleine Spende freuen."