Lauenburg
(rz).
"An einem kaputten Fuß stirbt man nicht." Mit diesem Satz beginnt Dagrun Hintzes Text "Notaufnahme", den sie zur Einführung in den Bildband "Schächte" mit Werken von Jan Köchermann schrieb. Der Hamburger Künstler schuf Schächte und Tunnelsysteme, deren Wege und Ausblicke die Besucher erkunden können. Er installierte heimlich öffentliche Steckdosen zum Aufladen von Handys und als Lichtspende für Obdachlose.

Der Patient in der Notaufnahme war am Ende eines solchen Schachtes herunter gesprungen. Sein Fuß war auf das Doppelte angeschwollen und er wartet nun darauf, verarztet zu werden, während sein Begleiter über den Sinn von horizontalen Schächten, Tunnelsystemen und öffentlichen Steckdosen nachdenkt.

Die Stipendiatin Dagrun Hintze aus Hamburg stellte in ihrer gut besuchten Lesung im Künstlerhaus mehrere Texte aus ihrer Feder vor - Einführungen in Kunstbände.

Auffällig: Die Autorin schreibt in "Du-Form". "Ich habe ein tiefes Misstrauen gegen das 'Ich', außer in der Lyrik. In der Prosa ist es sterbenslangweilig", behauptet sie. Das "Du" mache zwar die Verbkonstruktionen komplizierter, dafür wirke es kühl und erzeuge eine größere Distanz. Diese erlaube, pathetische Gedanken zu formulieren und das sei eine große Freiheit.

Dagrun Hintze ist Anfang Juni als neue Stipendiatin in das Lauenburger Künstlerhaus eingezogen. Sie gehört zusammen mit Anna Lena Grau, Almut Middel und Björn Siebert (Bildende Kunst) sowie dem Komponisten Cheng-Wen Chen zur 29. Stipendiaten-Generation. Dagrun Hintze schreibt Lyrik, Prosa und Theaterstücke. Sie publiziert regelmäßig über zeitgenössische Kunst und Dokumentartheater. Die 44-Jährige schreibt in Lauenburg ein neues Theaterstück, das sie am Ende ihres Aufenthaltes im Herbst dieses Jahres vorstellen will.