Lauenburg
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Wir schreiben das Jahr 1915: In Lauenburg sind die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges deutlich spürbar. Es gibt Lebensmittelengpässe, und viele Familien verlieren Angehörige auf dem Schlachtfeld. Und dennoch: Auch zu jener Zeit wurde gelacht und geliebt, und es trug sich so manche kuriose Geschichte zu. Wir blättern in den Ausgaben der Lauenburgischen Landeszeitung von damals und berichten in loser Folge über das Leben in Lauenburg vor 100 Jahren.

War der Mörder ein heimlicher Verehrer der Schauspielerin?

War das eine Aufregung in der Stadt! Am 3. Juni 1915 schrieb die Lauenburgische Landeszeitung: "Die Schauspielerin Martha Thies aus Berlin ist am 26. Mai nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr bei Boizenburg durch Schuss in die Schläfe getötet worden." Blutspuren ließen auf den Tatort schließen, gefunden wurde die Leiche am Tage darauf am Elbufer bei Lauenburg. Was machte die beliebte Schauspielerin, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Hehdi Treu, ausgerechnet in Boizenburg? Und wer war der elegante Unbekannte auf dem Fahrrad, der sich für zwei Nächte im "Bierkrug" einquartiert hatte?

Die Lauenburgische Landeszeitung lieferte eine detaillierte Beschreibung dieses Mannes: "Ca. 24 Jahre alt, 1,70 bis 1,75 Meter groß, dunkelblondes, gescheiteltes ziemlich langes Haar, eine frische reine Gesichtsfarbe, besonders gepflegte Hände ..." Und auch die Kleidung schien so gar nicht recht ins kleine Elbe-Städtchen zu passen: blauer Jackettanzug, runder Strohhut mit schwarzem Band, weißes Vorhemd und gelbe Schnürstiefel mit schwarzer Lackeinfassung.

Es lässt sich denken, wie damals die Gerüchteküche in Lauenburg gebrodelt hat: War der feine Herr etwa ein verschmähter Liebhaber der Schauspielerin? War Hehdi Treu vor ihm in die Provinz geflüchtet? Oder hat sie ihr Mörder gar mit einem Rivalen erwischt? Wenige Tage später war in der Lauenburgischen Landeszeitung zu lesen: "Die vielen Hundert in der Geschäftsstelle eingegangenen Hinweise haben wir an die Polizei weitergeleitet. Sie haben jedoch allesamt zu keinem Ergebnis geführt. Bei allen verdächtigten Personen ist die völlige Unschuld festgestellt worden."

Durch die Berichte über den Mord fühlte sich der Redakteur zu folgender Eigenwerbung ermutigt: "Unseren Soldaten im Felde kann durch nichts eine größere Freude bereitet werden, als durch die hochwillkommene Nachsendung der Lauenburgischen Landeszeitung. So sind sie auch bei diesem rätselhaften Fall in lebendiger Fühlung mit der Heimat." Die genauen Umstände der Tat blieb die Zeitung trotzdem schuldig.

Glaubt man dem Berliner Lokalanzeiger vom 3. August 1915, ist der Fall übrigens nie ganz aufgeklärt worden: Zwar habe der Hauptangeklagte, ein gewisser Herr Kallies, beim Prozess in Güstrow ein Teilgeständnis abgelegt, die Gründe aber verschwiegen und sich später selbst erhängt.