Von Elke Richel

Lauenburg/Boizenburg.
Welche Bedeutung hat der Auenwald an der Elbe bei Boizenburg? An dieser Frage schieden sich Ende vergangenen Jahres die Geister. Zu DDR-Zeiten wurde dieser Uferbewuchs penibel entfernt, um eventuelle Grenzübertritte nicht zu übersehen. Nach 1990 bildete sich hier ein Lebensraum für viele bedrohte Tierarten.

Das Buschwerk führe dazu, dass sich bei jedem Hochwasser Treibgut absetzt, durch das Abholzen könne das Hochwasser künftig schneller abfließen, hieß es vonseiten der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern. Die geplante Aktion sei blanker Aktionismus, die Absenkung des Hochwasserscheitels werde weniger als einen Zentimeter betragen, aber ein wertvolles Biotop vernichtet, hielten Umweltschützer dagegen. Und das womöglich sogar zu einem hohen Preis: "Das Beseitigen des Uferbewuchses hätte fatale Folgen für Lauenburg. Das Hochwasser wird die Stadt schneller erreichen", sagte Dr. Heinz Köster vom BUND Herzogtum Lauenburg im November gegenüber unserer Zeitung.

Die Frage schien zu diesem Zeitpunkt trotzdem entschieden. "Ein Verzicht auf die Holzungsmaßnahme steht nicht zur Debatte", hatte der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), klar gemacht.

Jetzt die überraschende Wende: Bei der sogenannten Frühjahrsdeichschau in Boizenburg teilte Frank Müller vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt mit, dass die geplante Entbuschung auf rund fünf Hektar nicht erfolgen werde. Gutachten hätten ergeben, dass der über 66 000 Euro teure Eingriff den Elbepegel im Ernstfall nur um zwei bis drei Zentimeter senken würde. Durch den geringen zu erwartenden Effekt sei diese Maßnahme wirtschaftlich und in Hinsicht auf den Naturschutz nicht mehr vertretbar.

"Das ist eine gute Nachricht. Zwar haben uns Fachleute hinsichtlich der Auswirkungen auf Lauenburg immer wieder beruhigt. Trotzdem ist das Restrisiko jetzt vom Tisch", freut sich Lauenburgs Bauamtsleiter Reinhard Nieberg. Einig sei er sich mit seinen Boizenburger Kollegen, dass der beste Hochwasserschutz für beide Städte die Schaffung von Polderflächen am Oberlauf der Elbe sei. "Was bei uns nicht ankommt, müssen wir nicht bekämpfen. Deshalb ist auch das nationale Hochwasserschutzprogramm so wichtig", bringt es Nieberg auf den Punkt. 5,4 Milliarden Euro stehen dafür bereit.

Der Gedanke, dass in Sachen Hochwasserschutz nicht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht, hat sich am Unterlauf der Elbe offensichtlich durchgesetzt. So ist immer mal wieder die Rückverlegung des Polders Horst im Gespräch. Experten zufolge würde das an Ort und Stelle einen 45 Zentimeter niedrigeren Pegel bringen. Kommt nicht infrage, versichert Lothar Nordmeyer vom mecklenburgischen Umweltministerium. "Dann wäre Lauenburg schlimm betroffen. Außerdem kann man ja wohl nicht sagen: Nach mir die Sintflut", lautet seine klare Absage an Befürworter dieser Maßnahme.