Es gibt Rätsel, die werden nie gelöst - so wie das um das Bücherhäuschen, das eigentlich schon lange auf dem Ruferplatz stehen sollte.

Es gibt Rätsel, die werden nie gelöst - so wie das um das Bücherhäuschen, das eigentlich schon lange auf dem Ruferplatz stehen sollte.
Dabei ist es grau und schlicht, wie es die Denkmalschützer lieben. Trotzdem wird es nun seinen Platz im Moorring finden. Man munkelt, die Lösung des Rätsels liege in einer alten Geschichte, die sich vor vielen Jahren in einem Land namens Grauenburg zugetragen haben soll.

Es war einmal ein Königreich, das hieß Grauenburg. Ein großer König regierte das Land und der lebte mit seinem Hofrat, den "Grauen Herren", hoch oben im Schloss. Er war ein weiser König, der zum Wohle seiner Untertanen sogar ferne Länder bereiste.

Doch es lag ein Fluch auf ihm und den "Grauen Herren": Wann immer sie bunte Farben sahen, schmerzte es gar fürchterlich in ihren Augen. Nun waren die Bürger von Grauenburg von je her Menschen mit leichtem Herzen und frohem Sinn. Viele hundert Jahre, bevor der König den Thron bestieg, hatten sie ihre Häuser und Höfe mit allerlei Farben belebt. Das graute dem König, weil er aber ein mildtätiger Herrscher war, wollte er seine Untertanen nicht ohne Obdach lassen. Der klügste der "Grauen Herren" kam auf eine List: Wann immer die Grauenbürger Neues schufen oder Altes heilten, müsse es fortan von grauer Farbe sein. Und die treuen Untertanen taten, wie ihnen geheißen.

Da trug es sich zu, dass eine gute Fee ins Königreich kam. Sie sah all das Grauen und beschloss am Brunnen der Stadt, bewacht von einem steinernen Löwen, ein siebenfarbiges Häuslein zu bauen - voll mit Büchern. Die Grauenburger strömten zum Brunnen und die Geschichten erwärmten ihre Herzen. So beschloss die Fee, auch für die Menschen im Tal ein solches Häuslein zu errichten. Nun war dem König guter Rat teuer, denn er wusste, dass er der Fee den Wunsch nicht abschlagen konnte. Er rief die "Grauen Herren" und der Klügste von ihnen, wusste schließlich Rat: Nur wenn es der Fee gelingen würde, das Häuslein in vollkommenem Grau zu errichten, solle ihr Wille geschehen.

So machte sich die Fee an die Arbeit, ersann das graueste Grau, das die Welt je gesehen hatte und präsentierte ihr Werk schließlich dem Herrscher. Dem König graute bei dem Gedanken, dass die Grauenburger unten im Tale ihre Herzen nun auch mit bunten Geschichten füllen würden. Und wieder wusste der klügste der "Grauen Herren" Rat: Er öffnete die Tür des Häuschens und der König war geblendet von Büchern, in allen Farben des Regenbogens. "Höre die Bedingung", sagte er zur Fee: "Nur wenn es dir gelingt, auch die Bücher und Geschichten in vollkommenem Grau zu erschaffen, darfst du dein Werk im Tale meines Königreiches errichten." Da wurde die Fee traurig, dieser böse Zauber war ihr fremd. Sie verließ Grauenburg und wart nicht mehr gesehen.

Der große König und die "Grauen Herren" waren jedoch zufrieden. Sie feierten bis zum Morgengrauen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Elke Richel