Lauenburg
(er).
Wir schreiben das Jahr 1915. In Lauenburg sind die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges deutlich spürbar: Es gibt Lebensmittelengpässe, und viele Familien verlieren Angehörige auf dem Schlachtfeld. Und dennoch: Auch zu jener Zeit wurde gelacht und geliebt, und es trug sich so manche kuriose Geschichte zu. Wir blättern in den Ausgaben der Lauenburgischen Landeszeitung von damals und berichten in loser Folge über das Leben in Lauenburg vor 100 Jahren.

"Seitens der Stadtvertreter wird keine Klage geführt"

Vor einer Woche hatte die Lauenburgische Landeszeitung mit blumigen Worten die neue Rubrik "Sprechsaal" angekündigt: "Juchei, alles neu macht der Mai - so soll zum Ruhme dieses Monats erstmals Gelegenheit gegeben sein, kleine und große Ärgernisse preiszugeben, die zum Verdruss der geneigten Leser führen."

In der Ausgabe vom 4. Mai 1915 erschienen gleich zwei Leserbriefe in der neuen Rubrik: "Mit zunehmendem Frühling mehrt sich auch der Blütenschwund auf Feldern und Wiesen. Seitens unserer Kinder und selbst seitens unvernünftiger Erwachsener wird dann nicht selten nur um des Pflückens einer Handvoll Blumen halber das ganze Feld niedergetreten" beschwerte sich ein Leser, und der Redakteur gab ihm Recht: "Möge dieser Mahnruf nicht ungehört verhallen, der dahin geht, lieber auf das Pflücken einer schönen Frühlingsblüte zu verzichten, ehe man zu diesem Zwecke Hunderte von Nutzpflanzen zertritt."

Ein zweiter Schreiber, der seinen Leserbrief mit "Ein Lauenburger" unterschrieben hatte, machte seinem Ärger über tierische "Zeichen einer gesunden Verdauung" auf den Bürgersteigen Luft: "Seit neun Monaten steht Deutschland im Weltkriege, Tausende Schweine müssen vorzeitig ihr junges Leben lassen. Hier im Orte scheint aber noch kein großer Mangel zu sein, denn die Zahl der Hunde, besonders der großen hat eher zu, als abgenommen. Wer abends noch spät ausgehet, der kann mit Sicherheit davon ausgehen, mehr mit nach Hause zurückzubringen, als er beabsichtigt hat", klagte der Schreiber und bemängelte weiter: "Merkwürdigerweise wird seitens unserer Stadtvertreter gegen diese Zunahme der Hunde keine Klage geführt oder eine Beschränkung gefordert. Darüber will ich lieber kein Wort weiter verlieren." Er beließ es aber nicht bei der Kritik an den Stadtoberen, sondern gab ihnen einen guten Rat: "Ich möchte nur darauf hinweisen, dass man diese Hundeliebhaberei durch eine erhöhte Hundesteuer der Allgemeinheit nutzbar machen könnte und sollte." Und er fügt hinzu, was auch noch 100 Jahre später plausibel erscheint: "Damit hätte man dann auch gleich Fremden gegenüber einen Grund, den nicht immer tadellosen Zustand der Fußwege in der Stadt zu entschuldigen."

Es ist nicht überliefert, ob vor 100 Jahren der Redaktion der Lauenburgischen Landeszeitung diese kritischen Worte zu gewagt erschienen. Jedenfalls haben sich die Kollegen von damals offensichtlich absichern wollen. Statt des wohlwollenden Kommentars vom ersten Leserbriefe, sahen sie sich beim zweiten zu einem Hinweis genötigt: "Für diesen Artikel übernimmt die Redaktion kein Verantwortung."