Von Elke Richel

Lauenburg.
Vor drei Jahren erfuhr Nikolaus Noack, dass er unter Multipler Sklerose (MS) leidet. Mit dieser Diagnose hat sich für den kaufmännischen Angestellten einer Hamburger Reederei alles geändert. Seit 2008 lebt der 49-Jährige in Lauenburg. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen und fährt mit offenen Augen durch die Stadt. Wir sprachen mit ihm über seine Wahlheimat.

LL:

Nervt Sie als echter Hamburger Jung nicht manchmal das Kleinstadtleben in Lauenburg?

Nikolaus Noack:

Nein. Die Menschen hier sind sehr freundlich. Ich bin viel mit einem Rolli unterwegs. Die Stadt selbst hat Macken, aber auch Potenzial. Ich möchte helfen, das zu entwickeln.

Sie engagieren sich in der Interessengemeinschaft "Behinderte Menschen in Lauenburg". Was motiviert sie dazu?

Bevor ich die Diagnose MS erhielt, wurde ich jahrelang falsch behandelt. Ich fiel dann erst mal in ein tiefes Loch. Das ist ja nicht nur eine persönliche Katastrophe. Du fühlst dich plötzlich dem Dschungel des Sozialrechts ausgeliefert. Als Interessengemeinschaft für Behinderte dürfen wir keine Rechtsberatung machen. Aber wir können Wege aufzeigen, wie Betroffene und Angehörige an Hilfe kommen können. Aber man darf unsere Möglichkeiten nicht überschätzen. Wir sind eben nur eine Interessengemeinschaft.

Was meinen Sie damit? Wer könnte kompetenter in Sachen Behindertenfreundlichkeit sein als die Betroffenen selbst?

Das bedeutet: Man kann uns anhören, muss es aber nicht. Mit der Idee der Rollstuhl-Experimente im vergangenen Jahr wollten wir gesunden Menschen zeigen, wie sich Lauenburg aus unserer Perspektive präsentiert. Passiert ist seitdem aber leider so gut wie nichts. Kein Geld, heißt es aus der Verwaltung.

Enttäuscht Sie das? Immerhin nahmen an den Touren auch einige Lokalpolitiker und der Bürgermeister teil.

Ich habe es nicht anders erwartet. Mit einem solchen Experiment kann man für kurze Zeit sein soziales Gewissen beruhigen und danach wieder zum Alltagsgeschäft zurückkehren. Das ist gar keine böse Absicht. Als ich noch auf meinen zwei Beinen unterwegs war, habe ich nicht anders gedacht.

Was wünschen Sie sich denn von den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung?

Wir brauchen einen Behindertenbeauftragten, der schon durch die Satzung ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen zur Stadtentwicklung hat. In Büchen soll jetzt als Ergebnis eines ähnlichen Rolli-Experiments eine ehrenamtliche Stelle geschaffen werden, Ratzeburg und Mölln haben schon lange einen Behindertenbeauftragten. In Lauenburg kämpfen wir noch darum, dass man uns den Status eines Beirates einräumt.

Sie sagen ja selbst, dass die Stadt kein Geld hat. Was könnte ein Behindertenbeauftragter denn unter diesen Umständen ausrichten?

Ich war neulich auf der Informationsveranstaltung der SPD zur Stadtentwicklung. Lauenburg erfindet sich neu, das ist toll. Aber in Sachen Barrierefreiheit gibt es viele Dinge zu beachten. Die Planung sollte ein Behindertenbeauftragter begleiten, ausgestattet mit Antrags- und Rederecht in den politischen Gremien. Gerade wenn es wenig Geld zu verteilen gibt, muss man ein Auge darauf haben, dass nicht die Schwächsten der Gesellschaft zu den Verlierern gehören.