Hans-Dieter Zerbe ist Experte für Vogelstimmen

Jeden Tag gegen 17 Uhr beobachtet Hans-Dieter Zerbe von seinem Balkon am Schüsselteich aus das gleiche Schauspiel. Aus den großen Lebensbäumen des gegenüberliegenden Friedhofs huschen Gestalten und machen sich in gaukelndem Flug auf in die Feldmark zur Beutejagd. "Es sind Waldohreulen, die in den Lebensbäumen wohnen und nachts auf Nahrungssuche gehen", weiß der Hobby-Ornithologe. Bis zu fünf hat Zerbe gezählt.

Beweise, dass die nachtaktiven Tiere tatsächlich auf dem Friedhof leben, findet man am Boden unter den Lebensbäumen: das Gewölle - unverdauliche Reste der Nahrung wie Haare oder Knochen von Mäusen. "Sind diese Speiballen schwarz und glänzend, stammen sie aus der letzten Nacht", erklärt Zerbe.

Sobald der Tag anbricht, fliegen die Waldohreulen nach Hause und bleiben fast regungslos in der Nähe des Stammes sitzen. "Sehen kann man sie von unten nicht, da kann man noch so weit den Kopf in den Nacken legen. Die Äste der Bäume sind viel zu dicht", bedauert Zerbe.

Dafür haben Naturfreunde im Winter aber gute Möglichkeiten, andere Vögel zu beobachten. Bäume und Büsche tragen kein Laub, deshalb sind die Tiere gut zu sehen. "Und sie sind nicht so scheu wie in der Balz- und Brutzeit" sagt der Hobby-Ornithologe.

In Gärten und Parks halten sich Amseln, Kohlmeisen, Blaumeisen, Rotkehlchen, Kleiber, Haus- und Feldspatzen sowie Buntspecht, Zaunkönig, Bergfinken und Goldammern auf. Wer ihnen in einem Vogelhäuschen oder mit angehängten Meisenknödeln Futter gibt, hat ständig Gäste. Noch vor einigen Jahren galt die Winterfütterung als verpönt. Die Natur helfe sich selber, hieß es.

"Die Natur ist aber nicht so wie vor 200 Jahren. Die Lebensräume und das Nahrungsangebot haben sich verändert", sagt Hans-Dieter Zerbe. Die Vögel finden kaum noch Samen von Wildkräutern, weil das Unkraut in Gärten und in der Landwirtschaft vernichtet wird. Insekten und Larven sind im Winter rar. Zerbe befürwortet daher die Fütterung der Vögel im Winter und hält sie auch im Sommer für vertretbar. Dafür eignen sich Meisenknödel mit Sonnenblumenkernen oder zerquetschte Nüsse. Wer Futter ausstreuen will, muss allerdings früh aufstehen. "Fütterungszeit für Vögel ist bei Tagesanbruch und nicht erst mittags", schmunzelt Zerbe.

Der 75-Jährige ist seit seiner Kindheit Vogelliebhaber. "Ich habe mich schon als kleiner Junge in der Schulzeit mit der Vogelwelt beschäftigt", erzählt er. Mit zwei Freunden besuchte er Vorträge des Vereins für Naturkunde und ging auf Exkursionen in die nähere Umgebung. Auch an internationalen Entenvogelzählungen durfte er teilnehmen. "Später habe ich mich auf die Vogelstimmen konzentriert", erzählt der Lauenburger.

Im Frühjahr lädt Zerbe wieder zu einem Spaziergang über den Friedhof ein. Die Besucher können dann die Vögel und ihren Gesang kennenlernen. Der Termin wird noch bekannt gegeben.