Dieter Schmidt war als Zollbeamter unterwegs - und filmte jahrzehntelang mit seiner Super-8-Kamera

"Meine Tränen sind nicht aufgefallen" - so beschreibt Dieter Schmidt seine Gefühle und Erlebnisse beim Mauerfall vor 25 Jahren. Jahrzehntelang war der Zollbeamte an der Grenze zwischen BRD und DDR im Einsatz. 1968 hatte sich der Büchener von seinem ersten Gehalt eine Super-8-Kamera gekauft. Er dokumentierte die Geschichte der Grenze und filmte immer wieder seine Kollegen - beiderseits des eisernen Vorhangs. Kein Wunder, dass er zutiefst berührt war, als dieser sich im November 1989 öffnete.

Doch den Mauerfall am 9. November verpasste der Büchener. Er hatte dienstfrei, las erst am nächsten Tag in der Zeitung: "Die Grenze ist offen." Auch am Grenzübergang Lauenburg lagen sich Ost- und Westdeutsche in den Armen. In den folgenden Wochen erlebte Dieter Schmidt solche Szenen an mehreren Orten, denn an der ehemals abgeschotteten Grenze wurden immer mehr Übergänge geschaffen. "Meine schönste Stunde habe ich am 12. November in Mustin erlebt", erzählt der 69-Jährige. Schon auf der Fahrt dorthin begegneten ihm viele Trabis, die mit ihrer Sechs-Volt-Anlage im Nebel kaum auszumachen waren. "Die Straße musste noch befestigt werden, dann rollten um 13 Uhr die Fahrzeuge", erinnert sich Schmidt. Viele Westdeutsche begrüßten die DDR-Bürger. "Es herrschte grenzenloser Jubel", so Schmidt.

Am 18. November 1989 ging sogar sein Wunsch in Erfüllung, Kontakt mit einer DDR-Familie aufzunehmen. "Ein junger Mann aus Zarrentin wollte mit einem von uns einen Schnaps trinken. Ich bekam von meinem Chef die Erlaubnis dazu", erzählt der frühere Zollbeamte. Die Familie mit den zwei kleinen Jungen habe er dann gleich nach Büchen mitgenommen, dort mit ihnen eingekauft und gegessen. "Daraus ist eine Freundschaft entstanden, die bis heute hält", so Schmidt.

Grenzenlose Freude auch in der Silvesternacht in Zweedorf. Die Feuerwehrleute aus dem Ort wollten mit ihren West-Kollegen aus Dalldorf feiern. Doch bis zuletzt stand nicht fest, ob die Grenze zwischen beiden Dörfern rechtzeitig geöffnet wird. "Dann haben die Bauern gedroht, dass sie mit ihrem Trecker den Zaun durchbrechen und so die Freigabe erreicht", erzählt Schmidt. Als er eintraf, kamen ihm schon Menschen mit Fackeln entgegen. Dieter Schmidt konnte den Schlagbaum öffnen - ein Foto hielt diesen historischen Moment fest.

Der frühere Zollbeamte hat mit etlichen DDR-Grenzern später Kontakt aufgenommen, sogar Freundschaften sind entstanden. Gesehen hatten sie sich im Dienst zwar häufig, doch geredet wurde nicht miteinander. "Die DDR-Grenzer hatten ein ausgeprägtes Feindbild eingeimpft bekommen und Sprechverbot", so Schmidt.

21 Jahre lang hat er im Grenzaufsichtsdienst gearbeitet, kein anderer Zöllner in der Dienststelle Büchen war so lange im Außendienst. Mehrere Male erlebte Schmidt, dass DDR-Bürgern die Flucht gelang. So konnten 1976 drei junge Männer aus Greven die Grenze überwinden. Unvergessen auch der 26-Jährige, dem 1968 an einer Baustelle auf der A 24 der Durchbruch mit einem Lkw gelang. Er stammte aus Wittstock - Dieter Schmidts Heimatstadt. 1955 war er mit seiner Mutter und den Geschwistern in den Westen geflohen. Doch damals gab es die Grenze mit den mörderischen Minen und Selbstschussanlagen noch nicht. "Ich hatte immer Angst, dass ich einmal in die Situation komme, dass ich einem Verletzten von der Westseite aus nicht helfen kann", sagt Schmidt. Doch zum Glück ist ihm das erspart geblieben.

Nicht nur für Kontrollgänge an der grünen Grenze war Schmidt im Einsatz, auch Besucher betreute er, machte viele Grenzführungen. Ab 1990 baute er das Zollmuseum in Hamburg mit auf - und wurde durch seine Dokumentarfilme bundesweit bekannt. Fast alle Fernsehsender haben schon Aufnahmen des Bücheners gezeigt. Jüngstes Beispiel: die Grenzgeschichten in der "Sendung mit der Maus".

Zurzeit hat Schmidt, der unter anderem beim Projekt "Zeitzeugenbüro" des Bundes mitwirkt, viel zu tun. Eine Aktion mit der Büchener Schule ist geplant, auch bei der Feierstunde in Lauenburg wird Schmidt dabei sein. Zurzeit bereitet er einen neuen Film vor. "Zeitzeugen aus Ost und West berichten über die Zeit vor und nach dem Mauerfall" wird am Mittwoch, 12. November, in Büchen gezeigt. Darin sind auch bisher weitgehend unbekannte Aufnahmen von anderen Dokumentarfilmern zu sehen. Beginn: 19 Uhr im Gebäude der Amtsverwaltung (Amtsplatz 1).