Interview: Prof. Dr. Manfred Voigt zu Auffassungen des Landes zum Lauenburger Hochwasserschutz

Die Fachleute sind sich einig: Eine neue Schutzmauer und im Bedarfsfall eine 20 Meter tiefe Spundwand im Wasser sind die beste Lösung, die Häuser der Altstadt bei Hochwasser vor Unterspülungen zu schützen. Doch im Kieler Umweltministerium zweifelt man die Expertise des wissenschaftlichen Beirates um Prof. Dr. Manfred Voigt an. Wir sprachen mit dem Wissenschaftler aus Bochum über die besondere Gefährdungslage der Lauenburger Altstadt bei Hochwasser.

Herr Professor Voigt, Sie standen mit einem wissenschaftlichen Beirat dem Expertenteam zur Seite, das den Konzeptentwurf eines technischen Hochwasserschutzes für die Lauenburger Altstadt entwickelt hat. Welche Erfahrungen haben Sie selbst auf diesem Fachgebiet?

Ich bin Bauingenieur und habe die Bereiche Wasserbau, Wasserwirtschaft und Grundbau vertieft studiert. In meiner Zeit als Oberingenieur an der TU Dortmund habe ich mich in Forschung und Lehre mit dem Hochwasserschutz am Rhein und verschiedenen Nebenflüssen beschäftigt und während meiner Professur in Magdeburg habe ich, teilweise leitend, Forschungsprojekte zum Hochwasserschutz an der Elbe durchgeführt und dazu Lehrveranstaltungen unter Einbeziehung von Fragen der Hydrogeologie angeboten.

Das Land Schleswig Holstein hat das Gutachten mit rund 70 000 Euro voll finanziert und zweifelt jetzt die wissenschaftliche Grundlage an. So sollen nun durch ein weiteres Gutachten die Auswirkungen der Bodenverhältnisse auf die Häuser geklärt werden, wenn die Elbe über die Ufer tritt. Macht das Sinn?

Mir kommen die Zweifel von Seiten des Umweltministeriums zu den diagnostizierten Bewegungen im Untergrund der Altstadt praxisfern und unverantwortlich vor. Bestimmte Bewegungen im Untergrund sind in der Lauenburger Situation kaum direkt messbar, sondern von ihren Symptomen, dass heißt durch Risse und Absenkungen an Gebäuden und im Gelände, abzuleiten. Diese Bewegungen, die in Lockergestein beim Durchströmen von Wasser und unter Auftrieb auftreten, sind Grundlagenwissen und müssen nicht gesondert bewiesen werden. Für weitere kausale Beweise braucht man realistischerweise ein weiteres Hochwasser. Will man das riskieren?

Warum ist für Sie die vom Expertenteam erarbeitete und mit 25 Millionen Euro vergleichsweise teure Variante C die einzig sinnvolle Lösung?

Die Varianten sind noch nicht ausreichen durchgeplant, um realistische Zahlen zu liefern. Belastbare Zahlen für die Variante C lassen sich erst dann ermitteln, wenn ein technischer Vorentwurf vorliegt. Damit sollte dringlichst begonnen werden. Das Hochwasser 2013 hat nach den mir vorliegenden Aussagen 25 bis 30 Millionen Euro gekostet. Mit der Variante C hätten wir jedoch für das gleiche Geld einen dauerhaften Schutz.

Umweltminister Robert Habeck hat wiederholt klar gemacht, dass für ihn Polderflächen im Oberlauf der Elbe eine höhere Priorität haben, als der technische Hochwasserschutz der Lauenburger Altstadt. Wäre diese durch die Schaffung von Überflutungsflächen künftig nicht ebenfalls besser geschützt?

Ich weiß nicht, wer Herrn Habeck berät. Er selbst hat ja Philosophie studiert und braucht kompetente und verantwortungsvolle Beratung. Natürlich wirken Rückhaltemaßnahmen im Oberlauf auch im Sinne Lauenburgs, aber sie können ein Hochwasser in Lauenburg nicht völlig verhindern. Die Gründungen vieler Häuser in der Altstadt sind so hinfällig, dass schon Wasserstände im Bereich der Keller zu Bewegungen und Umlagerungen im Untergrund führen und damit an den Häusern Setzungen, Sackungen, Risse und Verformungen verursachen können.

Sie hatten bereits vor einigen Wochen gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass Sie sich einen wissenschaftlichen Austausch mit den für Hochwasserschutz verantwortlichen Fachleuten des Landes gut vorstellen können. Gibt es inzwischen einen gemeinsamen Gesprächstermin?

Wissenschaft ist für mich eine offene Veranstaltung und ich setze mich gerne mit den fachlichen Auffassungen anderer Personen auseinander, um vielleicht gemeinsam bessere Lösungen zu finden und um voneinander zu lernen. Leider wird meine Meinung von Seiten staatlicher Stellen offensichtlich nicht geteilt, denn ich habe bisher keinerlei Rückmeldung zur Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates zum Realisierungskonzept erhalten. Bisher habe ich von Seiten des Ministeriums auch noch keine fachliche Stellungnahme mit Substanz zum Lauenburger Problem gelesen.