Philosophenberg: Hier betrieben die Bielefelds eine Gärtnerei

Es ist ein neues, kleines Wohngebiet, das in den vergangenen Jahren auf dem Philosophenberg entstanden ist. Acht Mehrfamilienhäuser hat das Lauenburger Unternehmen Kradel & Krage Bau GmbH in mehreren Schritten gebaut, ein weiteres wird demnächst fertiggestellt, das zehnte und letzte ist noch in Planung. "Die Wohnungen sind 80 bis 85 Quadratmeter groß und werden fast alle vermietet", sagt Thomas Krage. 46 Wohnungen werden es nach Abschluss aller Bauarbeiten sein.

Für 120 bis 150 Menschen wurde der Lauenburger Philosophenberg damit zur neuen Adresse. Mit schöner Aussicht: Alle Wohnungen haben einen Balkon, von dem aus der Blick weit über die Elbe geht.

Es ist aber auch eine Adresse mit Geschichte. "Früher stand hier eine kleine Gärtnerei, betrieben von der Familie Bielefeld", weiß Horst Eggert - nicht nur als Vorsitzender des Heimatbund und Geschichtsvereins. Er wohnt direkt nebenan und kannte Gustav und Else Bielefeld, die ständig auf dem abschüssigen Gelände arbeiteten. "Sie bauten Jungpflanzen für den Gemüsegarten, Blumen für Sträuße, Stiefmütterchen für die Grabbepflanzung und Gemüse an", so Eggert. Da der Boden sandig war, bot sich Spargelanbau an. Doch die Ernte fiel knapp aus, das Gemüse wurde nur in kleinen Mengen abgegeben. Besonders, nachdem Lieschen, Tochter von Else und Gustav Bielefeld, den Betrieb übernommen hatte. "Sie war sehr eigen", erzählt Horst Eggert. Jugendlichen, die sich in der Nähe trafen, drohte sie mit der Forke, Postarbeiter, die ein Kabel verlegten, wurden bepöbelt. Und auch Kunden hatten es nicht immer leicht: Wer bei ihr einen Blumenstrauß kaufen wollte, musste sich fragen lassen: "Für wen willst Du den denn haben?" Eigene Blumen mussten mitgebracht werden, sie wurden dann mit Exemplaren aus Lieschen Bielefelds Sortiment ergänzt.

"Lieschen kam immer mit zwei Milchkannen am Rad aus den Auwiesen, wo die Familie Kühe stehen hatte", erinnert sich Eggert. Ihr Bruder Heinz, fünf Jahre älter, war aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückgekehrt. Und Lieschen blieb immer allein. So gab es keine Nachkommen, als sie 1999 starb. Horst Eggert hatte die Kranke noch besucht und von ihr den Auftrag erhalten, Tannenzweige für den Grabschmuck zu verkaufen. "In einem kleinen Büchlein hatte sie genau aufgelistet, wer wie viel Grün bekommt."

Strom und Wasser hatte Lieschen Bielefeld schon lange nicht mehr bezahlt, immer von der Hand in den Mund gelebt. "Die Stadtwerke hatten ihr den Strom abgestellt, doch Wasser mussten sie weiter liefern", erzählt Eggert. Abends entzündete Lieschen Talglichter, heizte mit Holz. Aber auch eine Krankenversicherung hatte sie nicht, ernährte sich schlecht. Eggert. "Meine Frau hat ihr manchmal eine Suppe gekocht." Doch nach ihrem Tod stellte sich heraus, dass auf dem Konto genug Geld lag. 69 Jahre alt ist Lieschen Bielefeld geworden. Warum sie so merkwürdig war? "Ich weiß es nicht", sagt Horst Eggert.

Die Erbengemeinschaft wurde sich zunächst nicht einig, mehrere Jahre lag das Grundstück brach. Dann rückten Bagger an, die Raiffeisenbank bot Grundstücke für Einfamilienhäuser. Doch trotz des schönen Elbblicks fanden sich keine Interessenten.

Einige der Mehrfamilienhäuser, die stattdessen auf dem Areal gebaut wurden, stehen nun an der Straße Alte Gärtnerei. Und Lieschen Bielefeld, dem Lauenburger Original, wurde am Haus Elbstraße 36 ein Denkmal gesetzt: Dort guckt ihr Bild aus dem Fenster - ganz oben links.