Kritik aus Büchen: Der Westen zahlt mit, der Osten profitiert

Die Firma Schur Pack erliegt den Verlockungen des Nachbarlandes Mecklenburg-Vorpommern. Für knapp 70 Millionen Euro baut der Verpackungshersteller nahe der A24 im Gewerbegebiet Valluhn/Gallin eine neue Fertigung. Knapp 17 Millionen Euro bekommt das Unternehmen als Investitionshilfe. Das Geld aus dem GRW-Fonds (Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur") soll eine entscheidende Rolle bei der Umsiedlung gespielt haben. Äußern möchte man sich bei Schur Pack dazu nicht.

Im Gespräch ist, dass ein kleiner Teil der etwa 130 Mitarbeiter in Büchen bleiben könnte, doch auch dazu gibt es keine Auskunft. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll", zeigt sich Büchens Bürgermeister Uwe Möller enttäuscht. Verstehen kann er den Umzug dennoch. "Das Unternehmen nutzt einfach die Fördermöglichkeiten."

Möller bedauert aber, dass in Büchen Arbeitsplätze verloren gehen. "Die Mitarbeiter werden wohl hier wohnen bleiben. Wir müssen also die Infrastruktur aufrechterhalten, die es in Gallin nicht gibt", ärgert er sich. Und weist darauf hin, dass auch der Westen die GRW-Mittel mitbezahlt - aus allgemeinen Steuermitteln, zu denen unter anderem der Solidaritätsbeitrag gehört. Der größte Teil der GRW-Mittel kommt jedoch dem Osten zugute - und führt immer wieder zu Abwanderungen von West-Firmen. Möllers Fazit: "Der Solidaritätsbeitrag ist nicht mehr zeitgemäß und sollte abgeschafft werden."

Auch Büchens Politiker beklagen die Folgen des Fördergefälles. "In Mecklenburg-Vorpommern wird eine Förderquote von 30 bis 40 Prozent bei Firmen-Neuansiedlung gewährt. Das ist Politik von gestern", klagt SPD-Fraktionschef Hartmut Werner.

"Ein Stück Büchener Geschichte geht verloren", sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Markus Rät. Finanzielle Probleme für Büchen erwartet er indes nicht. "Wir sind mit Gewerbebetrieben gut ausgestattet." Man wolle sich darauf konzentrieren, Betriebe zu halten. "Vor allem schnelles Internet, ein gutes Kita- und Schulangebot, Sport- und Kulturangebote sind wichtig", so Rät.

"Seit Jahren sind uns die hohen Förderungen ein Dorn im Auge", sagt Werner Hesse, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Herzogtum Lauenburg (WFL). Seit zweieinhalb Jahren sei man mit der Firma im Gespräch. "Wir haben Schur geeignete Flächen nachgewiesen", so Hesse. Auch in Lübeck oder Stormarn habe es Grundstücke gegeben. Hesse spricht von einem "Mitnahmeeffekt" im Nachbarland. "Das ist schon irre, wenn man bedenkt, dass wir hier null Förderung haben." Man habe sich daher bei der angeforderten Stellungnahme des Kieler Wirtschaftsministeriums gegen die Umsiedlung ausgesprochen. Beide Länder müssen darüber ein Einvernehmen erreichen.

Doch Schleswig-Holstein stimmte dem Umzug zu. Einer der Gründe: Die Firma drohte, nach Polen zu gehen. "Im Kreis konnte dem Unternehmen nur eine Fläche angeboten werden und die auch nur unter Vorbehalt, da schon vorläufige Kaufverträge mit einem anderen Unternehmen bestanden", sagt Stefan Nitschmann vom Wirtschaftsministerium. Auch die Abfrage bei weiteren Wirtschaftsförderungsgesellschaften habe keine Ergebnisse gebracht. Nitschmanns Blick in die Zukunft: "Das Fördergefälle wird immer geringer ausfallen, da sich die Förderquoten langsam anpassen."

Doch auch ohne Fördermittel ist das Nachbarland attraktiv: Die Grundstückspreise sind viel niedriger. Schur konnte sich so eine große Fläche sichern, auf der der Neubau später noch einmal verdoppelt werden könnte.